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Aus der Neuen Solidarität Nr. 41/2008 |
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Wen Jiabao: China und USA müssen in der Finanzkrise zusammenarbeiten
Chinas Premierminister Wen Jiabao erklärte gestern in einem
seiner seltenen Interviews gegenüber der westlichen Presse (Newsweek),
man sollte im gegenwärtigen Finanzkrach „zusammenarbeiten und sich die Hände
reichen. Wenn das Finanz- und Wirtschaftssystem der USA in die falsche Richtung
geht, dann verspürt man die Effekte nicht nur in den USA, sondern auch in
China, Asien und auf der ganzen Welt“. China bemerke bereits eine deutliche Wirkung
bei den zurückgehenden Exporten. Die interne Nachfrage ließe sich nicht in
kurzer Zeit signifikant steigern.
Wen erläuterte auch, was China unter einer „sozialistischen
Marktwirtschaft“ versteht: Die Marktkräfte sollten „unter der makroökonomischen
Leitung und Regulierung der Regierung“ operieren. „Sowohl die sichtbare als
auch die unsichtbare Hand [des Marktes] müssen zu ihrem Recht kommen... Wenn
aber der Reichtum eines Landes in den Händen von wenigen konzentriert ist, kann
unser Land kaum Stabilität und Harmonie erreichen.“
Auf eine Frage nach Chinas Rolle im Sudan und in Myanmar und
den Forderungen, daß China dieselbe Politik wie der Westen unterstützen solle,
sagte Wen: „China ist keine Supermacht. Obwohl es 1,3 Milliarden Menschen hat
und sich in den letzten Jahren wirtschaftlich und sozial schnell entwickelte,
gibt es in China immer noch 800 Millionen Bauern und Dutzende von Millionen
Menschen, die in Armut leben. Wir müssen uns ernsthaft damit beschäftigen und
Anstrengungen unternehmen, um diese Probleme zu lösen. Das heißt, uns auf
unsere eigene Entwicklung zu konzentrieren und darauf, die Lebensbedingungen
unserer Menschen zu verbessern.“
Wen verteidigte Irans Recht auf die friedliche Entwicklung
der Kernenergie und wandte sich gegen Gewaltanwendung oder die Androhung von
Gewalt. „Wir wollen das Problem lösen und nicht Spannungen erhöhen.“ Bezüglich
des Dalai Lama sagte Wen, es sei der Zweck der „sogenannten Exilregierung“, die
sog. „Großtibetregion“ vom Mutterland abzuspalten. „Viele Leute in den USA
haben keine Vorstellung davon, wie groß dieses Gebiet ist. Es umfaßt Tibet,
Sichan, Yunnan, Qnghai und Gansu - ein Viertel des chinesischen Territoriums.“
Indiens Premierminister: „Indien und China müssen an der
Lösung mitwirken“
Einen Tag nach dem Gipfel zwischen EU und Indien in
Marseille am 29. September gab es in Paris ein Gipfeltreffen zwischen
Frankreich und Indien. Der indische Premierminister Manmohan Singh traf den
französischen Staatspräsidenten Sarkozy im Elyseepalast. Auf dem Programm stand
ein größeres Abkommen über die zivile Nutzung der Kernenergie. Indien will
Nukleartechnologie für insgesamt mindestens 70 Mrd. $ aus den USA, Rußland und
der EU importieren.
Le Figaro brachte ein Interview mit Singh unter der
Überschrift: „Singh: ‚Indien muß an einer Lösung der Finanzkrise mitwirken’“,
in dessen Verlauf er unter anderem sagte: „Selbst wenn die Krise zur Zeit nur
die entwickelten Länder betrifft, kann sie sich aber doch auf den Rest der Welt
ausweiten. Wir leben in einer Welt gegenseitiger Abhängigkeit, und das
Schicksal aller Nationen hängt am internationalen Finanzsystem... Sollte die
Finanzkrise in den Haupt-Volkswirtschaften eine Rezession hervorrufen, würde
das unsere Exporte treffen... Folglich ist der Vorschlag von Präsident Sarkozy [eine
Konferenz über die Neuordnung des Weltfinanzsystems abzuhalten, d. Red.] wichtig...
Was das Wirtschaftswachstum betrifft, sind wir nach China die zweitgrößte
Nation der Welt und damit ein wichtiger, wenn vielleicht auch nicht
entscheidender Faktor. Die Hauptverantwortung liegt bei den entwickelten
Ländern, aber Indien und China müssen an der Lösung mitwirken.“