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Aus der Neuen Solidarität Nr. 41/2008

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Amerikaner in Wut wegen Rettung der Spekulanten

Die Ankündigung des 700-Mrd.$-Rettungspakets für Spekulanten in aller Welt auf Kosten des amerikanischen Steuerzahlers löste eine Welle der Empörung in der amerikanischen Bevölkerung aus.

„Wir haben es mit einer schwelenden ‚französischen Revolution‘ zu tun.“ Das war der Kommentar von Lyndon LaRouche am 26. September, als er die massiven, sprunghaften Reaktionen der unteren 80% der Einkommensschichten auf die Forderung von Finanzminister Hank Paulson analysierte, die Steuerzahler sollten 1 Bio. $ zur Rettung der Superreichen aufbringen. „Plötzlich, durch diese Sauerei von Paulson, erwachte die große Mehrheit der Amerikaner, besonders aber die Arbeiterschicht der Bevölkerung, und realisierte, daß sie in der schwersten Finanz- und Wirtschaftskrise der modernen Geschichte angekommen ist. Wie ich in einer Sendung im Juli 2007 berichtet hatte, war der Crash längst geschehen. Aber die Menschen wollten es nicht wahrhaben, bis der Zusammenbruch der Banken es unmöglich machte, die Realität länger zu leugnen. Es ist wie bei Rip Van Winkle.“ 1

Diese soziale Explosion, wie es LaRouche beschrieb, setzte unmittelbar nach der Ankündigung Paulsons am 19. September ein, die Bush-Regierung wolle ein 700-Mrd.$-Rettungspaket für die Wall Street und die Spekulationsblase der City von London vorschlagen. Es dauerte nur bis zum Sonntag, dem 21. September, daß die Wut der Bevölkerung sich quer durch das Land von Küste zu Küste Bahn brach. Die Abgeordneten, besonders die demokratischen Senatoren und Repräsentanten, die anfänglich schon Paulson als den Retter des Finanzsystems feiern wollten, fanden sich plötzlich gefangen zwischen dem Würgegriff der Wallstreet, die einen schnellen Deal wollte, und der angestauten Wut der amerikanischen Bevölkerung.

Unmittelbar nach der Pressekonferenz Paulsons, auf der er seinen 700 Mrd.$-Schwindel vorgestellt hatte, stellte sich der demokratische Präsidentschaftskandidat Barack Obama hinter ihn und seinen Plan. (Was die Bevölkerung nicht wußte, war, daß Paulson sich vorher schon der geschätzten Summe von 500 Mrd. $ aus dem Wechselkurs-Stabilisierungsfonds - Exchange Stabilization Fund, ESF - versichert hatte, um zu vermeiden, eine Forderung von weit über 1 Billion erheben zu müssen.) Senator John McCain hatte in einer Rede am frühen Morgen des gleichen Tages in Green Bay, Wisconsin eine etwas vorsichtigere und skeptischere Position eingenommen. Er hatte sogar gewagt anzumahnen, das Finanzministerium und die Notenbank sollten sich wieder auf ihre Kernaufgaben konzentrieren, nämlich den Dollar zu verteidigen und die Inflation zu bekämpfen.

Bis zum Montag, dem 22. September, als der Kongreß nach Washington zurückkehrte, berichteten eine ganze Reihe von Kongreßbüros, die Anrufbeantworter, Faxmaschinen und E-Mail-Ordner seien buchstäblich von einer Sturmwelle an Reaktionen aus den Wahlkreisen überflutet worden. Und die übermittelten Botschaften der Bevölkerung waren brutal und fast zu 100 % gegen die Rettungsaktion. Senatorin Diane Feinstein, eine Demokratin aus Kalifornien, berichtete, sie hätte bis Mitte der Woche schon  38.000 Anrufe aus ihrem Wahlkreis erhalten, darunter weniger als 100, die irgendeine Form von Rettungsaktion billigten. Der Abgeordnete Paul Kanjorsky aus Pennsylvania gestand Kollegen auf dem Capitol Hill: „Ich habe zwei Arten von Reaktionen aus meinem Wahlkreis bekommen. Die eine Hälfte sagte, ‚keinen Pfennig von uns‘, die andere Hälfte ‚zum Teufel, auf keinen Fall einen Pfennig‘.“

Am Freitag, dem 26. September, kam es zu weiteren Erschütterungen, als der britische Premierminister Gordon Brown vor der UN-Vollversammlung in New York zugab, er sei nach Washington gekommen, um den britischen Anteil der Rettungsgelder einzukassieren. Am Tag zuvor hatte Lyndon LaRouche auf der Internetseite seines Aktionskomitees eine scharf formulierte Erklärung abgegeben, in der er Bushs Versuche zur Rettung seiner britischen Freunde verurteilt hatte. Am gleichen Tag, an dem Brown die Katze aus dem Sack ließ, hatte die Londoner Times im Detail berichtet, ein halbes Dutzend britischer Banken, allen voran die alte Drogenbank HSBC, die frühere Hong Kong and Shanghai Banking Corporation, forderten 25 %  der 700 Mrd. des Rettungspakets, um die City von London vor dem sicheren „Aus“ zu bewahren.

Eine typische Reaktion kam von einem pensionierten Polizeibeamten aus Florida aus einer traditionellen Arbeiterfamilie, der mit EIR Kontakt aufnahm, um zu wissen: „Ist Gordon Brown tatsächlich hierher gekommen, um 100 Mrd. $ unserer Steuergelder zu kassieren? Dies ist absolut unverschämt und auch kriminell. Niemand wird uns das verkaufen können. Ich habe mir schon fast gedacht, daß Paulson irgendwann mit einer Rettung für Ausländer an die Öffentlichkeit gehen würde.“

Klassenkampf

LaRouche umschrieb die explosive Stimmung gegen das Rettungspaket als „eine Form des Klassenkampfes“:

„Es gibt einen wahren Gegensatz der Wertsysteme. Der Kongreß und die Bush-Regierung werden von den Werten der 68er Generation beherrscht, die die amerikanische Tradition der Industriegesellschaft und des Fortschritts zurückwies. Sie lehnten nicht nur die Fabrikarbeit ab, sie haßten sie geradezu. Statt dessen fuhren sie auf völlig anti-wissenschaftliche Betrügereien ab, wie radikalökologische Ideen, die Globalisierung und den ganzen nach-industriellen Unsinn. Aber diese Leute begannen den Marsch durch die Institutionen bis nach ganz oben, auch in die Parlamente.

Die falschen Politikansätze der vergangenen 40 Jahre rächen sich jetzt, und die Bevölkerung ist in einem Zustand offener Revolte. Zum Glück“, so LaRouche abschließend, „müssen wir  die Gewaltexzesse der französischen Revolution nicht durchmachen. Wir hatten hier in den USA unsere Revolution, und unsere Verfassung beinhaltet den Schlüssel zur Lösung all dieser Krisenprobleme. Wir können einen geordneten Reorganisierungsprozeß wie in einem Konkurs durchlaufen, so wie es Roosevelt 1933 gemacht hat. Wir können uns unseren Weg aus der Krise bahnen, die uns die 68er in den letzten 40 Jahren eingebrockt haben.

Wenn wir aber die Lösungen nicht aufgreifen, die ich vorgeschlagen habe, könnten wir in ein soziales Chaos abgleiten, das für die französische Revolution so charakteristisch war. Wenn das geschieht, dann tut mir der arme Kongreß und die Bush-Regierung leid, weil sie die Hauptwucht der Wut abbekommen werden.“

Andere Stimmen der Vernunft

Aus unterschiedlichen Gründen hat eine Gruppe der republikanischen Fraktion im Kongreß sich gegen Paulsons Rettungspaket gestellt und sich somit vom Griff des Weißen Hauses befreit. Dies hat für Nancy Pelosi, die Sprecherin des Abgeordnetenhauses und fanatische Anhängerin des Rettungspakets, ernsthafte Probleme geschaffen. Mit der demokratischen Mehrheit in beiden Häusern kann der Kongreß das Rettungspaket ohne republikanische Unterstützung verabschieden. Aber die politischen Konsequenzen einer solchen Aktion wären für die Demokratische Partei verhängnisvoll, denn eigentlich hätten die Präsidentschaftswahlen für die Demokraten zu einem Erdrutschsieg führen müssen.

Jenseits des Aufruhrs der Bevölkerung und der Reaktionen einiger „weniger irrationaler“ Republikaner kam der stärkste Protest gegen das Rettungspaket von der Gewerkschaftsbewegung. Am 26. September hatte das zentrale Gremium des New Yorker Gewerkschaftsverbandes zu einer Protestveranstaltung an der Wall Street aufgerufen. Der Präsident der Internationalen Vereinigung der Maschinisten, Thomas Buffenbarger, hatte am gleichen Tag eine Erklärung veröffentlicht, in der er verlangte, die verbrecherischen Spekulanten ins Gefängnis zu werfen.

Unter der eindeutigen Überschrift „Sag einfach Nein!“ erklärte Buffenbarger: „In den letzten acht Jahren haben die Zauberlehrlinge der Wall Street eine kettenbriefartige Pyramide aufgebaut. Sie haben einen Wirbelsturm von Wertpapierderivaten geschaffen, CDO's, sogenannte strukturierte Investmentvehikel, die sie den globalen Gurus der Hochfinanz verkauft haben. Die Magier haben die bewußte Wahl getroffen, etwas zu schaffen, was jetzt als unverkäufliches Papier eingestuft wird, anstatt Konsumgüter herzustellen. Und durch die Erzeugung und den Handel mit kommerziellem Konfetti haben sie Milliarden an Profiten für ihre Firmen und Millionen an Renditen für sich selbst gemacht.

Aber wie bei allen Kettenbrief-Operationen ist ihre Maschine des schnellen Geldes jetzt festgefressen. Ihre Schmierstoffe - kurzfristig niedrige Zinsen und permanente Infusionen an Liquidität durch die Federal Reserve und andere Zentralbanken - sind verdampft. Und jetzt, nach acht Jahren schierer Gier, regnen 47 Billionen $ wertlosen Papiers auf die Wall Street und andere Börsen der Welt herab.

Je höher das Wasser schlechter Schulden steigt, desto lauter schreien sie: ,Rettet mich!’. Dies ist nicht nur ein amerikanisches Phänomen. Tatsächlich ist jedes Mitglied der G-8  von diesem Unwetter des Schulden-Terrors betroffen.

Und dennoch ist es der Federal Reserve, dem US-Finanzministerium und ihren Gegenübern auf fünf Kontinenten in den letzten 15 Monaten nicht gelungen, den Zusammenbruch dieser Finanzpyramide aufzuhalten. Nicht, daß sie es nicht versucht hätten. Die Zentralbankiers haben zusammen über eine Billion Dollar an zusätzlicher Liquidität ins System gepumpt; sie haben Nicht-Banken Geld unterhalb der Prime Rate hinterher geworfen; sie haben Gewinner und Verlierer ermittelt; und sie haben beständig die Dimensionen der Krise heruntergespielt.

Jetzt sagen die gleichen Regierungsbeamte, die uns noch einreden wollten, ,Laßt uns das mal machen, wir wissen, was wir tun’, etwas ganz anderes. Finanzminister Hank Paulson und Federal-Reserve-Chef Ben Bernanke laufen durch die Straßen und rufen ,Die Kassen sind leer, das Geld ist weg’.

Sie wollen, daß die amerikanischen Arbeiter, die Firmen und die Steuerzahler für die Verluste aufkommen, daß sie einen unbestimmbaren, abgrundtiefen und nicht abzusehenden Betrag an Schulden aus dem größten Finanzkrach seit dem Zusammenbruch der Südsee-Blase von 1720 aufkaufen. Diese beiden von Bush ernannten ,Fachleute’ verlangen vom Kongreß, daß er ein 1,000,000,000,000 schweres Rettungspaket verabschiedet. Sie sollen das Geld in den nächsten 96 Stunden in einem kleinen Gesetz verabschieden, ansonsten...

Ich fordere den Kongreß auf: ,Sagt einfach Nein!’ Es ist schlimm genug, daß Paulson und Bernanke mit den Bankräubern gemeinsame Sache gemacht haben. Aber jetzt der amerikanischen Bevölkerung die Pistole auf die Brust zu setzen und mehr von ihnen zu verlangen, als das ganze Gold in Fort Knox (und der New Yorker Federal Reserve) wert ist, heißt nichts anderes, als dem wildesten Bankraub der Geschichte Vorschub zu leisten.

Machen Sie sich nichts vor. Dies ist ein Bankraub, sonst nichts. Und das FBI sollte sich als erstes darum kümmern.

Diese Zauberlehrlinge der Wall Street sollten verhaftet, ihre Computer, Bankkonten und Dokumente beschlagnahmt, ihnen ihre Rechte verlesen und der Prozeß gemacht werden. Sie sollten als die stinknormalen Verbrecher behandelt werden, die sie geworden sind.

Wir können den Schaden nicht ungeschehen machen, den sie unserer Wirtschaft zugefügt haben. Aber wir können eine massive Betrugsoperation in eine nie dagewesene Verhaftungswelle verwandeln.“  

                       Jeffrey Steinberg


1. Es handelt sich um eine Figur des amerikanischen Schriftstellers Washington Irving (1783-1859). Der Bauer Rip Van Winkle aus den Bergen New Yorks fällt noch zur englischen Kolonialzeit in einen Zauberschlaf, aus dem er erst 20 Jahre später wieder aufwacht und feststellt, daß er nicht mehr Untertan des englischen Königs, sondern Bürger der Vereinigten Staaten ist.

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