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Aus der Neuen Solidarität Nr. 37/2008 |
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Während alle Welt mit größter Aufmerksamkeit die Reise von US-Vizepräsident Cheney in den Kaukasus beobachtet, geht von der Krise in Pakistan noch viel größere Gefahr aus: Die Konsequenzen des Sturzes von Präsident Muscharraf bedrohen ganz Süd- und Zentralasien bis hin nach China.
Es dürfte selten eine Reise gegeben haben, die von so vielen politischen Beobachtern weltweit mit Argusaugen betrachtet wurde, wie diejenige, die den amerikanischen Vizepräsidenten Dick Cheney soeben nach Aserbaidschan, Georgien, in die Ukraine und nach Italien geführt hat. Der prominente Duma-Experte für Außenpolitik, Sergej Markow, hatte kürzlich erklärt, daß Cheney für den Angriff Georgiens auf Ossetien „den Befehl gegeben“ habe. Inzwischen haben sich auch die Hinweise verdichtet, daß amerikanische Militärberater und 127 amerikanische Soldaten auf der georgischen Seite beteiligt waren, und auch die OSZE-Berater in Georgien gaben - verspätet zwar, aber immerhin - bekannt, daß die Aggression eindeutig von Georgien ausgegangen war. So verwundert es nicht, daß alleine in den russischen Medien Hunderte von Artikeln über Cheneys Reise erschienen.
Natürlich geht es Cheney in allen Fällen darum, die angloamerikanischen Interessen in den besuchten Ländern in der Tradition des britischen „Great Game“ mit Nachdruck geltend zu machen. Dabei geht es u. a. um die von den USA und der EU unterstützten „Nabucco“-Gas-Pipeline als Alternative zu der von Rußland ausgehenden „South Stream“- Pipeline, die über Bulgarien nach Österreich und Italien führt. Cheney versprach Georgien außerdem erneut den baldigen NATO-Beitritt, und brachte eine Milliarde Dollar mit. Ebenfalls auf Konfrontationskurs angelegt ist die Tatsache, daß das Flaggschiff der amerikanischen Mittelmeerflotte, die „USS Mount Whitney“ in der georgischen Hafenstadt Poti anlegte, nach amerikanischen Angaben, um Hilfsgüter zu liefern, für die auf Frachtschiffen sicher mehr Platz vorhanden wäre. Als weiteren Ausdruck der Einkreisungsstrategie dürfte Rußland mit Sicherheit den Besuch einer Delegation von 26 NATO-Mitgliedstaaten am 15. September in Tiflis betrachten, die angeblich dort hinfährt, um den militärischen Schaden durch den russischen Gegenschlag zu begutachten.
Aber gerade weil das Augenmerk der Weltöffentlichkeit so auf Cheneys Reise gerichtet ist, ist sie derzeit nicht der wichtigste Schauplatz, kommentierte Lyndon LaRouche. Das primäre Ziel der britischen Destabilisierungspolitik sei derzeit vielmehr Pakistan, mit enormen Auswirkungen für Afghanistan, die Sicherheit Indiens und mittelfristig auch die Lage des Iran. Der Rücktritt von Präsident Muscharraf, der von britischer und saudiarabischer Seite betrieben wurde und den die Regierung Bush schließlich abgesegnet hatte, habe die Instabilität in diesem Land enorm gesteigert.
Der pakistanische Premierminister Yousaf Raza Gillani überlebte letzte Woche einen Anschlag auf seine Wagenkolonne in der Nähe des Flughafens von Islamabad. Mindestens 20 Zivilisten, darunter Frauen und Kinder wurden am 3. September bei einem Angriff auf die pakistanische Ortschaft Wasiristan in der Nähe der afghanischen Grenze durch Truppen der US International Assitance Force (ISAF) getötet. Dieser Übergriff wurde von Regierung, Parlament und dem Militär in Pakistan aufs Schärfste als eine Verletzung der Souveränität, der territorialen Integrität und der UN-Charta verurteilt. Es habe keinerlei Anzeichen für Aktivitäten oder Anwesenheit von Al-Kaida in der Region gegeben. Inzwischen folgten zwei weitere Angriffe mit Hilfe von Drohnen, bei denen ebenfalls mehrere Menschen getötet und weitere verletzt wurden.
Der Sprecher der pakistanischen Armee, Generalmajor Athar Abbas, verurteilte diese Angriffe als völlig kontraproduktiv, nichts könne man weniger gebrauchen, als so provozierte Aufstände von dort lebenden Volkstämmen, was den Kampf gegen den Terrorismus nur erschwere und die NATO-Versorgungslinien von Pakistan nach Afghanistan gefährde. Das ist angesichts der inzwischen völlig außer Kontrolle geratenen Lage in Afghanistan eine weitere schwere Belastung. Wenn man dann noch bedenkt, daß Rußland die weitere Kooperation und Versorgung der NATO in Afghanistan vom Verhalten des Westens in Bezug auf Georgien abhängig macht, dann stellt sich allerdings immer mehr die Frage, was die Absicht hinter diesen Anschlägen sein mag.
Die Verschärfung der Lage in Afghanistan und Pakistan tangiert die Sicherheitsinteressen Indiens und Chinas. Die Unterstützung von Rebellen in Kaschmir durch terroristische Netzwerke in Pakistan, die Serie von Terroranschlägen in Indien, bei denen indische Behörden britische und amerikanische Drahtzieher untersuchen, und die Verbindung bestimmter Uiguren in Xinjiang zu Netzwerken in Pakistan: all dies ist Teil einer Destabilisierung des von Bernhard Lewis so genannten Krisenbogens vom Horn von Afrika über den Nahen und Mittleren Osten bis zum indischen Subkontinent.
Nun wird Indien, daß sich derzeit Attacken durch westliche Heuschrecken von einem Ausmaß ausgesetzt sieht, das der Situation Rußlands in der Jelzin-Ära vergleichbar ist, derzeit noch von einem weiteren Skandal erschüttert. Der amerikanisch-indische Nuklearvertrag, der unter indischen Wissenschaftlern seit langem als Ausverkauf indischer Interessen betrachtet wird, droht nun zu platzen. Premierminister Manmohan Singh, der wegen seiner Nähe zu Bush gerade eine Mißtrauensabstimmung im Parlament über sich ergehen lassen mußte, die er nur gerade so eben überlebt hatte, ist nun in einer noch dramatischeren Krise.
Singh hatte dem indischen Parlament seit dem 13. August 2007 versichert, die USA würden Indien als Teil des Abkommens eine Garantie für die Versorgung mit Nuklear-Brennstoffen geben. Das Weiße Haus hatte dem US-Kongreß einen Maulkorb erteilt, was die Bekanntgabe von Details über das Abkommen mit Indien anging. Nun veröffentlichte der US- Kongreßabgeordnete Howard Berman eine 26 Seiten umfassende Antwort der Administration auf Fragen des Kongresses, die im völligen Gegensatz zu den Auslassungen von Premierminister Singh stehen.
Daraus wird deutlich, daß Indien nach diesem Abkommen weder weitere nukleare Tests machen darf, noch strategische Reserven von nuklearem Material anlegen dürfte, was von Indien, einem Land mit über einer Milliarde Menschen und einer Zivilisation, die eine der Wiegen der Menschheit ist und das zudem bereits über Atomwaffen verfügt, als unakzeptable Einschränkung seiner Souveränität und seines Status als kommender Weltmacht angesehen wird. Es ist keineswegs auszuschließen, daß dieser Skandal den Premierminister sein Amt kosten wird.
Man kann davon ausgehen, daß die nächsten zwei Monate bis zum Datum der Präsidentschaftswahl in den USA noch eine ganze Reihe von Zuspitzungen der strategischen Lage bringen werden. Niemand kann heute sagen, wer der nächste Präsident der USA sein wird. Klar ist hingegen, daß McCain zugegeben hat, daß Wirtschaftspolitik nicht seine Stärke ist, und das Obama nicht ein einziges Mal die Systemkrise des Finanzsystems thematisiert hat. In diesen zwei Monaten wird die Eskalation der Finanzkrise aber alle bisherigen Annahmen zunichte machen.
Seit längerem fürchtet man in den Hauptstädten, daß die Regierung Bush noch vor ihrem Ausscheiden aus dem Amt einen Militärschlag gegen den Iran lancieren könnte. Man braucht nicht viel Phantasie, um sich angesichts der Lage im Kaukasus, in Osteuropa, im Nahen und Mittleren Osten und auf dem indischen Subkontinent die Konsequenzen vorzustellen.
Das sogenannte „alte Europa“, also Italien, Frankreich und Deutschland, hat zwar glücklicherweise klargemacht, daß es die Konfrontationspolitik der Briten und ihrer amerikanischen Handlanger gegenüber Rußland nicht mitmacht. Aber darüber hinaus ist es schon erschreckend, wie groß das Führungsvakuum in dieser strategischen Lage doch ist.
Nur wenn sich rechtzeitig eine Kombination von Nationen findet, die bereit ist, die Ursache der gegenwärtigen Krise zu beheben und das hoffnungslos bankrotte Weltfinanzsystem durch ein neues Bretton-Woods-System ersetzt, gibt es Hoffnung. Zum Glück gibt es darüber eine wachsende Debatte - in Italien, in Frankreich, in Rußland. Und nur wenn eine ausreichend starke Kombination von Nationen bereit ist, sich der Konzeption von Politik zu widersetzen, wie sie das britische Empire repräsentiert - also Politik der Spannung, „Balance of Power“, Geopolitik, Kleinkrieg etc. -, kann ein Ausweg aus dieser sehr weit fortgeschritten Situation gefunden werden.
Die von Lyndon LaRouche vorgeschlagenen Programme sind unverzichtbar.
Lesen Sie hierzu bitte auch: „Jedoch der schrecklichste der Schrecken...“ Weltkrieg aus Fehlkalkulation? - Neue Solidarität Nr. 36/2008 Neue „Kubakrise“ in Osteuropa: Auf dem Weg in den Dritten Weltkrieg? - Neue Solidarität Nr. 35/2008 Europa hat die Wahl: Rußland als Kriegsgegner oder als Partner! - Neue Solidarität Nr. 34/2008 Globaler Finanzkrach und Krieg? Oder neues Finanzsystem und New Deal? - Neue Solidarität Nr. 33/2008 Resolution zur weltweiten Krise - Neue Solidarität Nr. 32/2008 Aufruf für ein Neues Bretton-Woods-System: Weltfinanzsystem vor der Kernschmelze! - Neue Solidarität Nr. 30/2008 Menschheit in existentieller Gefahr! Verdoppelt die Agrarproduktion! - Neue Solidarität Nr. 19/2008 |
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