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Aus der Neuen Solidarität Nr. 37/2008 |
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Im Wortlaut. An den Vortrag von Helga Zepp-LaRouche bei ihrem Internetforum am 19. August (wir berichteten, s. Neue Solidarität 35/2008) schloß sich eine längere Diskussion mit den Teilnehmern mehrerer Veranstaltungen in Mexico City, Bogota und Buenos Aires über die weltweite Krise an. Wir bringen Auszüge.
Frage: Die erste Frage kommt von einem Studenten der UAM (Universität Mexiko-Stadt): „Wer war Lopez Portillo?“
Zepp-LaRouche: Ich glaube, er war ein Präsident, dem das Wohl der mexikanischen Nation sehr am Herzen lag. Er hatte begonnen, eine Politik einzuführen, die das Schicksal des gesamten iberoamerikanischen Kontinents hätte verändern können.
Ich möchte Ihnen ein Beispiel geben. Im Sommer 1982 stand Mexiko unter enormem Druck von Seiten der Spekulanten, es gab Kapitalflucht aus dem Peso. Lopez Portillo lud damals meinen Mann nach Mexiko ein. Und er bat ihn, ein Programm zur Verteidigung der mexikanischen Wirtschaft zu schreiben. Mein Mann hat das sofort getan; aber er schrieb nicht nur ein Programm für Mexiko, sondern ein Infrastrukturprogramm zur Integration des gesamten süd- und mittelamerikanischen Kontinents, das er „Operation Juarez” nannte. Das sollte an die Zusammenarbeit zwischen Benito Juarez und Abraham Lincoln im 19. Jahrhundert erinnern.
Am 1. September 1982 begann Lopez Portillo mit der Umsetzung, indem er Kapitalverkehrskontrollen einführte, die Zentralbank verstaatlichte und einige der Entwicklungsprojekte initiierte, die die Lage im Land hätten herumreißen können. Leider bekam er damals von Argentinien und Brasilien nicht die nötige Unterstützung, und seine Politik wurde nicht der Erfolg, der sie hätte sein können. Und leider bekam die argentinische Nation die Rechnung in Form des Malvinenkrieges präsentiert, der sofort von den Briten lanciert wurde. Ich denke also, Lopez Portillo verkörperte wirklich die beste Tradition Mexikos, vor allem im 20. Jahrhundert.
Frage: Zuerst möchten wir der Gruppe „Mission K” von der Kirchner-Bewegung in Argentinien und ihrer Führung danken, und allen, die geholfen haben, diesen Dialog zustande zu bringen und ihn hier in diesem Land auch zu führen.
Wir haben ungefähr 40 Leute hier in Buenos Aires versammelt. Von ihnen habe ich schon vier Fragen gesammelt. Ich werde die erste vorlesen. Sie zielt auf den Unterschied zwischen den Systemen von Franklin D. Roosevelt und Keynes. Die Frage lautet: „Hallo Helga, ich möchte Dich bitten, die genauen Unterschiede zwischen dem Britischen System freier Wechselkurse und unbegrenzter Geldvermehrung auf der einen Seite und dem System fester Wechselkurse, wie es FDR kurz vor seinem Tod schuf, zu erläutern. Und auch, was eigentlich der unversöhnliche Gegensatz ist zwischen dem System Roosevelts, das sich auf das ursprüngliche Amerikanische System der politischen Ökonomie gründete, und dem System, das dann nach dem unglücklichen Tod Roosevelts Realität wurde und auf Keynes zurückgeht.
Was also waren die zwei Anschauungen, die diesen beiden unterschiedlichen Systemen zugrunde lagen?”
Zepp-LaRouche: Fangen wir beim Kern der Frage an - beim Menschenbild. Woher kommt eigentlich der Reichtum einer Nation? Wo wird er erzeugt? Das britische System des Freihandels und freier Wechselkurse sagt im Kern: „Kaufe billig ein und verkaufe teuer!” - und der Zwischenhändler macht den maximalen Profit.
Das war die Methode der Britischen Ostindiengesellschaft; das war das Prinzip des Kolonialismus; es ist das, was auch die WTO im wesentlichen repräsentiert. Und es ist die Idee, es gäbe nur eine kleine privilegierte Schicht, die studieren und Wissen haben sollte; und nur die Privilegierten hätten die Muße dazu, was dann der Grund dafür sei, daß es überhaupt Reichtum gibt.
Auf der anderen Seite steht das System des Protektionismus, das System der physischen Ökonomie, das Amerikanische System der politischen Ökonomie, das von Friedrich List, dem Gründer des Zollvereins, und auf amerikanischer Seite von Mathew Carey und seinem Sohn Henry Carey entwickelt wurde. Es wurde die Grundlage der industriellen Revolution in den USA, Rußland, Deutschland, Japan und vielen anderen Ländern. Seine Grundidee war, daß es nur ein Quelle des Reichtums gibt: den Fortschritt der Arbeitsproduktivkraft und die Entwicklung der kognitiven Fähigkeiten jedes Mitglieds der Gesellschaft.
Die Bedeutung fester Wechselkurse liegt im Schutz vor spekulativem Kapital und dem Zustrom von Billigwaren, weil man ja einen starken Binnenmarkt aufbauen will. Und erst danach kann man ja aus einer Position der Stärke mit anderen Ländern Handel treiben.
Offensichtlich sind feste Wechselkurse sehr wichtig, denn warum sollte jemand gegen Währungen spekulieren dürfen? Warum sollte es internationalen Spekulanten wie George Soros oder anderen erlaubt sein, gegen das zu spekulieren, was das nationale Einkommen und den Reichtum der Menschen ausmacht? Es gab den Fall Malaysia. Der frühere Premierminister Mahatir sagte einmal: Was die Menschen in Malaysia in 40 Jahren an Reichtum geschaffen hatten, raubte ihnen George Soros in einer Woche! Deshalb muß man dafür sorgen, daß diese Währungsspekulation unterbunden wird. Und weiter, wenn man langfristige Investitionen in internationale Infrastrukturprojekte tätigen will, kann man keine Währungsschwankungen gebrauchen, bei denen die Kurse in einer Woche um 10%, 20 oder 30 % fallen; denn man braucht langfristige Währungsstabilität im System. Und das ist genau das, was das Bretton Woods System, das Franklin D. Roosevelt 1944 konzipierte und verwirklichte und das bis zu einem gewissen Grade auch funktionierte.
Aber, wie Sie schon sagten, nach dem unglücklichen Tod Roosevelts unmittelbar danach entstand ein gemischtes System, bei dem die Entwicklungsländer bei der Bewertung ihrer Währungen von vorn herein benachteiligt waren. Ich denke, das ist wirklich der wichtigste Unterschied.
Und was Keynes betrifft: Er ist schlicht ein Monetarist, für den es keinen Unterschied macht, ob man produktiven Kredit für reale Güterproduktion schöpft oder Geld ausgibt, um die Schlangen vor den Arbeitsämtern los zu werden. Ich denke, das haben viele Menschen in Bezug auf die produktive Wirtschaft noch nicht verstanden. Sie denken immer nur an Geld. Wenn Leute von Wirtschaft reden, dann haben sie in der Regel nicht die reale Produktion, die Steigerung der Produktivität, der Arbeitskraft und der industriellen Kapazitäten im Kopf, sondern nur die Chimäre „Geld verdienen!”
Und deshalb gibt es eine wirkliche Verwirrung, was unsere Anstrengungen so dringend macht, eine neue Generation von jungen Menschen zu schaffen, die die Prinzipien der physischen Wirtschaft studieren und verstehen. Mit der Globalisierung hat sich der Glaube an die Werte der Shareholder-Gesellschaft durchgesetzt, als ginge es um den schnellen Profit im Hier und Jetzt und so schnell wie möglich. Und man denkt nicht an die langfristige Verbesserung der Wirtschaft.
Ich denke, das ist wirklich das Wesentliche: Wie kann man langfristig die Grundlage zum Überleben der Gesellschaft legen? Und das ist eine physisch-wissenschaftliche Frage, die mit Geld erst einmal nichts zu tun hat.
Fragen aus Kolumbien: Zunächst die Frage eines Wirtschaftsstudenten - Helga, was denkst Du über die wirtschaftliche Lage in Lateinamerika? Unser Kontinent ist reich an Rohstoffen, und trotzdem gibt es große Armut und Hunger. Gibt es einen Weg, das zu lösen? Und was ist Deine Sicht von Kolumbien, vom Ausland aus betrachtet?
Die zweite Frage kommt von einem pensionierten Geschäftsmann: Vor allem, was die Kernenergie betrifft, sind wirklich alle Überlegungen angestellt worden, Schaden für die Umwelt und Menschen auszuschließen? Und dann gibt es noch eine Frage von der Bewegung Polo Democratico (Demokratischer Pol): Gibt es einen genauen Plan, wie alle die wirtschaftlichen Vorschläge in der Realität umgesetzt werden können?
Zepp-LaRouche: Also, ich glaube, daß es trotz der angesprochenen Probleme doch in jüngster Zeit einige vielversprechende Entwicklungen in Lateinamerika gegeben hat. Einerseits gab es die Absicht Kolumbiens und Venezuelas, Eisenbahnlinien zu bauen und auch Ekuador und Brasilien einzubeziehen; und die gesamte Entwicklung, wie sich die Idee der Bank des Südens herauskristallisiert hat. Es gibt sehr positive Signale, aber ich denke, Lateinamerika muß einen Weg finden, sich in das gesamte strategische Bild einzubringen.
Ich bin auf die wechselvolle Geschichte der amerikanischen Zusammenarbeit zur Entwicklung Südamerikas eingegangen, weil dies Verständnis wichtig ist für die Frage, wie ihr die Situation in den USA beeinflussen könnt. Es gibt in den USA so viele Immigranten mit spanischem Hintergrund, sowohl legale als auch illegale, aber die meisten sind legal dort. Wie ich schon gesagt habe, viele Leute denken, die USA seien so schlecht, daß es besser wäre, sie stürzten ab. Dann könnten sie ihre Probleme besser allein lösen.
Die lateinamerikanischen Länder sollten individuell darüber nachdenken, wie sie Teil der Vier-Mächte-Allianz werden können. Sie sollten sich als souveräne Nationen irgendwie an die Kombination mit Rußland, China, Indien und den hoffentlich bald veränderten Vereinigten Staaten anschließen. Die Krise ist überreif und kann nicht mehr auf einem Kontinent allein gelöst werden. Die andere wichtige Mobilisierung, die zu unterstützen sich lohnt, ist die Kampagne, die Generalversammlung der UNO in ein Forum für eine neue gerechte Wirtschaftsordnung zu verwandeln.
Für Kolumbien war auch sehr bedeutsam, daß vor kurzem die 15 Geiseln befreit werden konnten. Der Krieg gegen das Rauschgift ist eine entscheidende Flanke, und der Drogenanbau muß durch eine vernünftige landwirtschaftliche Produktion ersetzt werden. Das kann realistischerweise nur gelingen, wenn alle benachbarten Länder an einem Strang ziehen, und wenn einige der riesigen Hochebenen zwischen Kolumbien und Venezuela, aber auch Brasilien zur landwirtschaftlichen Entwicklung erschlossen werden.
Die kolumbianische Entwicklung hat sich kürzlich zum Besseren gewendet, jetzt muß die Idee des Aufbaus von Entwicklungskorridoren für den ganzen Kontinent auf die Tagesordnung gesetzt werden.
Zur Frage nach der Kernenergie: Wie ich schon sagte, wir wollen nicht irgendeine Form der Atomenergie, sondern die modernste Variante. Und das ist der HTR, der sogenannte Kugelhaufenreaktor, der schon vor 30 Jahren von Professor Schulten im Forschungszentrum Jülich bei Aachen entwickelt wurde. Er konstruierte den Reaktor in einer Art, daß er inhärent physikalisch sicher ist. Denn er schaltet sich bei der kleinsten Unregelmäßigkeit selbst ab. Dann sind die Brennstoffkugeln mit einer Keramikschicht umgeben, die Hitze bis zu einer Temperatur von 1800 °C aufnehmen können. Normalerweise wird bei einer Kernspaltung lediglich eine Temperatur von 1000 °C erreicht. Ein großer Störfall ist so völlig ausgeschlossen.
Was den sogenannten Abfall angeht: Wir müssen uns der Herausforderung stellen, die moderne Physik weiter zu entwickeln und in die Isotopenphysik einzusteigen. Dann können wir das, was wir heute Müll nennen, in Zukunft als Brenn- oder Rohstoff weiterverarbeiten. Auf diesem Gebiet wird gegenwärtig intensiv geforscht.
Wir müssen der Kernenergie vor den sogenannten erneuerbaren Energien Vorrang einräumen, denn die bei der Kernspaltung erreichte Energiedichte wird als Grundstock für die schnellstmögliche Realisierung der Kernfusion gebraucht. Nur wenn wir sie meistern, können wir davon sprechen, daß wir die Rohstoff- und Energiesicherheit der Menschheit erreicht haben.
Ich denke, es gibt im Moment eine Renaissance der Kernenergie. Darüber bin ich sehr froh, auch wenn Deutschland wohl leider das letzte Land sein wird, das zu einer Technologie zurückkehrt, die es selbst entwickelt hat. Aber es gibt einen massiven Ausbau der Kernenergie in Rußland, China und Indien. Alle Maghrebstaaten in Nordafrika wollen sie; alle Länder am Persischen Golf wollen sie. Viele afrikanische Länder sind entschlossen, Atomkraft zu haben. Das südafrikanische HTR-Modell wird für den Export auf Vordermann gebracht, nicht nur nach Afrika, sondern auch in andere Kontinente.
Alle Länder, die sichere und billige Energie im Überfluß haben wollen, sollten wirklich den Weg der Atomkraft einschlagen.
Frage: „Meine Name ist David aus Mexiko City und ich habe die folgende Frage für Sie: Glauben Sie, daß es bei aller nach wie vor verbreiteten Ungerechtigkeit richtig ist, die Schichten, die ausgeschlossen und die diskriminiert wurden, wieder aktiv einzubeziehen? Und daß es heute, morgen und immer richtig ist, daß der Rückzug in die Privatsphäre nicht der beste Weg ist, eine neue gerechte Weltwirtschaftsordnung herbeizuführen, wie Sie es anstreben? Vielen Dank.”
Zepp-LaRouche: Ich denke, daß sich die Welt gegenwärtig in einer solch großen Gefahr befindet, daß wir nur eine Chance haben, wenn sich genügend Menschen klar darüber werden, daß es auf sie ankommt. Selbst wenn sie das in der Vergangenheit nicht gedacht haben. Selbst wenn sie einer speziellen Gruppe angehören, einer Gewerkschaft, Studentengruppe oder ähnliches - dies ist eine Prüfung für die Zivilisation. Können wir uns im Angesicht der größten Gefahr, die jeder sehen kann, mobilisieren? Sie sehen selbst, die Regierungen machen nichts, um diese Kernschmelze aufzuhalten, außer Geld ins System zu pumpen! Und das tötet bereits Menschen!
Gerade jetzt gibt es in einer Reihe ostafrikanischer Länder eine Hungerkrise, die durch die Preisinflation von Nahrungsmitteln ausgelöst wurde. Das bedroht unmittelbar vielleicht 15 Mio. Menschen! Und das ist nur Ostafrika. Andere Regionen der Welt sind in einer ähnlichen Lage. Wenn das Bankensystem zusammenbrechen sollte, falls es wahr ist, was wir erwarten, daß vielleicht Tausende von Banken zusammenbrechen werden - was glauben Sie, wird die Wirkung auf den Normalbürger sein? Darum bin ich so verärgert und wütend auf die G7, weil sie diese Frage einfach nicht ansprechen. Warum haben wir Regierungen, wenn sie nicht handeln, um die Bevölkerung zu schützen?
Regierungen bestehen nicht aus privilegierten Menschen, die ihre Pensionen oder ihre Diäten einstreichen: Sie sollen die Menschen schützen. Und wenn sie das nicht tun, sollten wir sie ablösen. Genau das ist die Bedeutung der Unabhängigkeitserklärung. Sie sollte für jedes Land der Welt die Charta der Menschenrechte sein, weil sie ein schönes Dokument ist. Ich habe es bei der Gründung des Schiller-Instituts 1984 ganz bewußt zu seiner Charta gemacht.
Nein, ich glaube, daß jede Schicht der Bevölkerung, vor allem wenn sie bis jetzt nicht gehört oder vertreten wurde, anfangen sollte, sich zu engagieren. Sie sollten studieren, wie die physische Wirtschaft zu reorganisieren ist und wie wir uns in allem engagieren können, was nötig ist. Das Beste, was Menschen jetzt tun können, ist, die Mobilisierung zu unterstützen, die neue gerechte Weltwirtschaftsordnung auf die Tagesordnung zu setzen. Wenn die Regierungen das nicht tun, dann muß es von den Menschen kommen.
Moderatorin: Ich möchte unserem Publikum und den Zuschauern im Internet eine kurze Vorstellung von der Versammlung in Mexiko-Stadt geben. Wir haben hier 120 Teilnehmer und bisher 25 Fragen gesammelt. Weil das so viele Fragen sind, versuchen wir, sie nach ähnlichen Themen zu bündeln, und wir werden solche Fragen jetzt stellen.
Die erste ist von Ana Maria Silva von der UAM-Universität in Azcapotzalco, und sie wird eigentlich von vielen Studenten dieser Psychologischen Fakultät und von verschiedenen sozialen Organisationen gestellt: „Sie sagen, daß die Anwendung der fortschrittlichsten Technologie, die die vier wichtigsten Mächte der Welt haben, angewandt auf die ärmsten Länder der Welt, den Hunger und die Armut beseitigen kann. Aber was ist der Preis, den diese Mächte vom Rest der Welt verlangen? Was wären die Bedingungen, die sie stellen, und worauf gründete sich ihre Bereitschaft, das zu tun?”
Um eine weitere Frage anzufügen: „Mit welchen Technologien könnte man die Nahrungsmittelproduktion verdoppeln?”
Zepp-LaRouche: Ich denke, selbst im Rahmen des gegenwärtigen Systems kann man schon ermessen, was eigentlich gemacht werden könnte. In Europa gibt es ziemliche Wutausbrüche über die Investitionen der Chinesen und Russen und neuerdings auch der Japaner in Afrika. Die Chinesen bauen beispielsweise Eisenbahnen, Dämme und alle möglichen anderen Dinge. Und natürlich, ist es zu ihrem Vorteil, weil sie Handelsverträge abschließen - Rohstoffe für Entwicklungsprojekte.
Die Europäische Union ist völlig aufgebracht, weil sie sagen: „Schaut euch das an, Afrika wird von den Chinesen übernommen!” Aber ich habe mit vielen afrikanischen Vertretern gesprochen, die alle sagen: „Natürlich hat China ein Eigeninteresse, aber sie dienen auch unserem. Wir bekommen die moderne Technologie, wir bekommen Eisenbahnen, wir bekommen die modernen Wasserkraftwerke und andere vergleichbare Projekte.”
Schauen Sie, mein Mann hat ein sehr schönes Buch geschrieben, das ich Ihnen nur wärmstens empfehlen kann. Es trägt den Titel Die kommenden 50 Jahre und ist eine Vision, wie die Welt in den nächsten zwei Generationen, also den nächsten 50 Jahren, gestaltet werden kann. Es ist eine wunderschöne Idee: Wie kann man zwischen den Nationen Verträge über Investitionen abschließen, die einen völlig neuen Charakter haben?
Zum Beispiel: Es gibt Länder mit großer Fläche, dann andere, die klein sind; es gibt Länder mit reichen Rohstoffvorkommen; andere haben Energie und Öl, andere haben das nicht. Wenn wir also die Eurasische Landbrücke bauen, wie gleichen wir diese Unterschiede aus? Die einzige Methode, das zu erreichen, ist, die Idee der gemeinsamen Ziele der Menschheit zum Maßstab aller Nationen zu machen. Man wird dann ein kleines Land ohne Rohstoffe nicht zwingen, den ursprünglichen Kredit zurückzuzahlen, mit dem es an einem Teil der Landbrücke teilgenommen hatte, bevor es eine bestimmte Produktivität der Bevölkerung und ein gewisses Niveau an Kaufkraft erreicht hat. Erst dann, nach vielleicht 20 bis 30 Jahren, wird es den erhaltenen Kredit zurückzahlen können.
Wir können nicht mit ein paar billigen Tricks aus dieser Krise herauskommen, um dann mit den alten Methoden der Ausbeutung fortzufahren, mit der Spekulation usw. Wir werden als Menschheit diese Krise nur überwinden, wenn wir unser Denken radikal verändern, wenn wir die Prinzipien der letzten 40 Jahre, die die Welt in diesen Sumpf gebracht haben, über Bord werfen.
Wir müssen zu gesunden Prinzipien wirtschaftlichen Handelns zurückkehren, zur Idee des Gemeinwohls, zur Idee von Wissenschaft und Technik als der Quelle des Reichtums eines Landes. Und nur wenn wir zu Ideen vergangener erfolgreicher Perioden zurückkehren, werden wir Erfolg haben. Nehmen wir das Beispiel Deutschlands, der Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg, als das Land buchstäblich innerhalb weniger Jahre von einem Trümmerfeld in das berühmte „Wirtschaftswunder” verwandelt wurde. Wir müssen zu diesen Methoden zurückkehren, aber sie gleichzeitig auch in anderen Ländern, nicht nur in einem, anwenden.
Wissen Sie, es gibt diese gesunden Prinzipien. Ohne Infrastruktur beispielsweise hätte es in den USA seit Lincoln und später keine industrielle Revolution gegeben; mit derselben Methode wurde Deutschland während der Bismarck-Zeit aus einem Agrarland zur Industrienation. Er hatte die Reformen von Henry Carey übernommen und sich einer protektionistischen Politik zugewandt.
Dies ist tatsächlich wenig bekannt: Der Kopf des deutschen Industriellenverbandes damals war ein Mann namens von Kardorff, der zunächst ein Anhänger des Freihandels war. Er wurde durch das Studium der Ideen von Henry Carey zu einem leidenschaftlichen Verfechter des Protektionismus, der dann Bismarck beeinflußte. Und als Bismarck seine berühmten Wirtschaftsreformen und die Sozialgesetzgebung durchsetzte, besonders sein Industrieprogramm, verteidigte er das mit dem Hinweis auf das amerikanische Vorbild. Infrastruktur und Eisenbahnen sind Teil der notwendigen physischen Dinge, die man als Ausgangspunkt einer industriellen Revolution bauen muß, um einen Agrarstaat in eine moderne Industriegesellschaft zu verwandeln.
Wir schlagen allerdings den weniger entwickelten Ländern nicht vor, alle Schritte nachzumachen, die die Industrieländer gegangen sind, bis sie das höchste Niveau erreicht haben. Das ist anders als eine Familie mit vielen Kindern, in der die jüngeren immer die Kleider der älteren abtragen. Nein, das wollen wir nicht. Wir wollen, daß sich jedes Land ein Spezialgebiet auswählt, auf dem es eine weltweit führende Position einnehmen und dann auf höchstem Niveau an der internationalen Arbeitsteilung teilnehmen kann.
Damit kann man einen Blitzstart hinlegen und die Unterentwicklung überwinden. Man nimmt einfach Studenten, entwickelt sie auf einem Gebiet und schließt die Lücke. Denn es gibt im Universum kein Gesetz, das die Unterschiede zwischen armen und reichen Ländern auf ewig festschreibt.
Wir brauchen für Lateinamerika und Afrika, was es in Europa gibt. Ich weiß nicht, ob sie eine Vorstellung von der Infrastruktur in Europa haben. Sie ist schön! Man kann per Schiff vom Schwarzen Meer auf der Donau, durch Kanäle bis zum Rhein, vielleicht zum Hafen in Duisburg gelangen. Dort können die Container auf die Bahn verladen und zum Zielort gebracht werden oder das letzte Stück mit dem LKW. Es gibt in Europa eine unglaublich Dichte an Infrastruktur!
Aber natürlich brauchen wir all die Fehler nicht, die gemacht wurden, die Verkehrsstaus auf den Autobahnen. Wir sollten eine viel größere Priorität auf öffentliche Verkehrssysteme legen. Ich denke, das ist ein Modell!
Jetzt schauen Sie sich eine Karte von Lateinamerika an oder von Afrika: Es gibt keine Eisenbahnstrecken, die den Norden mit dem Süden, den Osten mit dem Westen verbinden. Es gibt ein paar kleine Strecken und ein bißchen Infrastruktur vom Bergwerk zum Hafen für das Eisenerz oder andere Exportgüter. Es ist alles noch so wie zur Zeit des Kolonialismus. Deshalb ist diese neue Diskussion über den Bau großer Infrastruktur in Lateinamerika so immens wichtig. Es ist die Voraussetzung der Entwicklung.
Ich denke, alle diese Probleme können gelöst werden, und es gibt viele Modelle, die man studieren kann, die Industrialisierung in den USA, Deutschland, die russische unter Graf Sergej Witte, die Meiji-Restauration in Japan, das kann alles anderswo nachgeahmt werden.
Und genau das ist der Kampf. Als der Council on Foreign Relations in den siebziger Jahren diese Serie von 22 Büchern über die „kontrollierte Desintegration der Weltwirtschaft“ veröffentlichte, war das Ziel, zu verhindern, daß es im Süden je wieder ein neues Japan geben würde.
Japan war seit Jahrhunderten völlig isoliert gewesen, weil sie an einem bestimmten Punkt einige Mönche rausgeworfen und sich abgeschottet und für Jahrhunderte isoliert hatten. Und dann kamen sie mit einigen amerikanischen Ökonomen aus der Umgebung von Lincoln und in der Tradition von List in Deutschland in Kontakt. Innerhalb weniger Jahre verwandelte sich Japan während der Zeit der Meiji-Restauration in eine der modernsten Industrienationen. Und was diese Vertreter des CFR sagten war: „Nie wieder noch ein Japan!”
Warum eigentlich nicht? Warum sollten wir nicht moderne Länder haben, in jedem Teil der Welt? Es ist doch eure Wahl. Ihr müßt ja nicht alles nachmachen, was euch nicht gefällt, aber das Prinzip der Transformation von einer Agrar- zu einer weitgehend industrialisierten Gesellschaft mit einem angemessenen Lebensstandard für alle, das ist doch absolut erstrebenswert. Wir können aus den Fehlern lernen, müssen sie nicht wiederholen. Aber die Vorstellung, einige Länder sollten immer arm bleiben, gehört in den Mülleimer! Denn das ist mit der Würde des Menschen unvereinbar!
Frage: Vielen Dank, Helga. Leider gib es für weitere Fragen keine Zeit mehr. Aber die Fragen können auch bei den Organisatoren der Konferenz eingereicht werden. Und soweit möglich, werden wir sie beantworten. Wir werden auch sicher stellen, daß sie an Helga weiter geleitet werden. Wir bleiben also in Kontakt miteinander.
Zum Schluß möchte ich Helga fragen, ob sie noch eine abschließende Botschaft für uns hat oder etwas, das sie noch anfügen möchte.
Zepp-LaRouche: Ich bin ehrlich gesagt sehr froh, daß ich diesen Dialog mit euch angefangen habe. Denn auch die Oligarchie ist international organisiert. Und ich denke, auch die humanistisch-republikanischen Kräfte, die sich für eine neue Weltwirtschaftsordnung einsetzen, sollten international viel enger zusammenarbeiten. Worum ich euch wirklich sehr ernsthaft bitten möchte - ich will sowieso mit den Organisatoren jeder dieser Veranstaltungen in Kontakt bleiben: Besorgt euch eine Kopie dieser Resolution, die zur Änderung der Agenda der UNO-Generalversammlung aufruft. Helft mit, sie zu zirkulieren, organisiert so viele Unterschriften wie möglich, nehmt mit vielen Gruppen Kontakt auf und bringt dieses Thema überall zur Sprache.
Ich weiß, daß es in einigen Ländern des Nahen Ostens schon Parlamentarier gibt, die das tun; ich weiß, daß es in Deutschland und Frankreich Bauernverbände gibt, die das tun, und sogar Professoren und andere Menschen. Ich denke, wir können eine weltweite Bewegung schaffen, eine Lawine sozusagen. Menschen die sagen: „Genug ist genug! Die Welt ist aus den Fugen geraten, wir brauchen eine völlige Veränderung des Systems, und die UNO-Generalversammlung ist der Ort, wo das beginnt.” Wir müssen 5, 10 oder 12 Führer schaffen, die wie Fred Wills und Lopez Portillo Mut haben. Dann können wir es schaffen.
Ich möchte euch also ernsthaft bitten, beteiligt Euch an dieser Mission, weil es vielleicht die letzte Chance sein könnte, die Welt herumzureißen. Und ich danke euch, daß Ihr mir zugehört habt. Und Ihr solltet wissen: Ich bin froh, mit euch zu sein.
Torres: Vielen Dank, Helga, und wir hoffen alle, daß du bald persönlich hier in Mexiko, Argentinien und Kolumbien sein kannst. Wir danken den Kollegen in Argentinien und Kolumbien.
Nur noch ganz kurz: Viele fragten, was können wir tun? Was können wir tun, um die Lage zu verändern und die Oligarchie auszuschalten und die Macht der multinationalen Konzerne zu brechen?
Was ich euch sofort sagen kann: Unterstützt überall die LaRouche-Jugendbewegung, wo es sie schon gibt. Und ihr werdet mehr Möglichkeiten haben, die LYM kennen zu lernen, weil es auch in anderen Teilen des Landes weitere Veranstaltungen geben wird. Wir bitten euch um Spenden, damit wir Material drucken können, wie das, was wir hier in Sonora für den PHLINO gedruckt haben; das ist ein Flugblatt, mit dem wir hier organisieren, und mit dem wir die Institutionen Mexikos mobilisieren werden. Für die Idee, zu einer produktiven Wirtschaft in unseren Ländern zurückzukehren, die diese Politik so dringend brauchen. Wir brauchen Geld, damit wir diese Pamphlete drucken können. Wir brauchen Leute, die mit uns in Kontakt bleiben und die uns auf jede erdenkliche Art helfen.
Ich möchte euch allen noch einmal für Eure Teilnahme danken, und noch einmal ein Dankeschön an Helga, daß sie uns ihre Gedanken mitgeteilt hat. Wir hätten sie gerne die ganze Nacht wach gehalten da drüben in Deutschland mit all unseren Fragen. Aber wir sollten ihr auch ein bißchen Ruhe gönnen. Und noch einmal eine Runde Applaus für sie und alle, die geholfen haben, diese Konferenz zu organisieren!
Lesen Sie hierzu bitte auch: Was sollen wir morgen essen? - Neue Solidarität Nr. 35/2008 Schmutzige Tricks der Briten in Simbabwe - Neue Solidarität Nr. 27/2008 Weg mit der WTO! Nahrungsmittelproduktion verdoppeln! - Neue Solidarität Nr. 24/2008 Die britische Destabilisierung Simbabwes: Teil der globalen Chaos-Strategie - Neue Solidarität Nr. 16/2008 Kenia: britisches Empire gegen Afrika - Neue Solidarität Nr. 2/2008 Afrika braucht einen New Deal - Neue Solidarität Nr. 48/2007 Die Heuchelei des Westens - Neue Solidarität Nr. 42/2007 Zeittafel des britischen Kampfes gegen Simbabwe - Neue Solidarität Nr. 38/2007 Lösungen für Afrika inmitten der Weltkrise - Neue Solidarität Nr. 38/2007 |
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