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Aus der Neuen Solidarität Nr. 37/2008 |
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Am 28. September 2008 wird die BüSo bei den Landtagswahlen im Wahlkreis Oberbayern antreten. Wir veröffentlichen dazu ein Interview mit der Kandidatin Christa Kaiser.
Frage: Frau Kaiser, Sie nehmen bei der Landtagswahl in Bayern teil. Haben wir nicht genug Parteien? Warum, glauben Sie, ist Ihre Partei wichtig?
Christa Kaiser: Leider ist die Politik heute zu einem Pokerspiel verkommen. Wir befinden uns jedoch in einer Weltkrise, die sogar Bayern betrifft. Unsere Politiker gestehen sie weder ein, noch wissen sie, wie sie zu lösen ist. Die BüSo dagegen hat seit Jahren vor der Weltfinanzkrise gewarnt und brauchbare Lösungen vorgeschlagen. Mir scheint die CSU wie eine vaterlose Partei. Profitiert sie nicht vom Erbe ihrer Väter? Ihre heutige Politik nähert sich einem Tiefpunkt, wenn sie sich nur um Pendlerpauschale, Streit um die Erbschaftssteuer und Steuersenkung zankt.
Welche Kompetenz finden wir stattdessen bei Fritz Schäffer, dem Mitbegründer der CSU und erstem deutschen Finanzminister! Er war der eigentliche Architekt des deutschen Wirtschaftswunders. Seiner Finanz- und Steuerpolitik gelang es unter erschwertem alliiertem Steuerrecht, die produktive Wirtschaftsführung als Maxime zu setzen. Nicht Konsum und Steuereintreibung waren für ihn die Quelle des Wachstums einer Wirtschaft, sondern die sich beschleunigende Erneuerung der Anlagen des Investitionsgütersektors. Wie der Erfolg zustande kam, ist heute schlicht unbekannt.
Frage: Aber läßt sich der Nachkriegsaufbau mit heute vergleichen?
Kaiser: Ja, es war ja nicht nur Fritz Schäffer. Denken Sie an den Airbus. Dieses europäische Großflugzeug hätte ohne staatliche Anschubfinanzierung niemals starten können. Die staatliche Förderung von technischen Großprojekten dauerte bis in die siebziger Jahre hinein und ist bis heute das Muster für eine positive Rolle des Staates. Damals entschied man, auch BMW-Werke in ländlichen Gebieten anzusiedeln, wie z.B. in Neutraubling und Dingolfing. Damit verhinderte man die Abwanderung der Jugend und trug zum Reichtum der Region bei. Doch dieses Erbe wird heute von der CSU verramscht.
Frage: Was meinen Sie genau, wenn Sie die CSU als „vaterlose Partei“ bezeichnen?
Kaiser: Nun, sie tritt das Erbe Ihrer Väter mit Füßen, sie plündert es. Aber urteilen Sie selbst. Nehmen Sie als jüngstes Beispiel die Rettung der Bayerischen Landesbank, die Bayern 4,3 Mrd. Euro kostet, und dann das Ende des Transrapids. Bei der Bedienung der Spekulationsschulden wurde gar nicht gefackelt, da war genug Geld da. Selbst die Rettung des Transrapids, wo 1 Mrd. fehlte, wäre billiger gekommen. Und das dicke Ende der Bayerischen Landesbank steht noch aus. 24 Mrd. Euro mußten in einer Tochtergesellschaft geparkt werden, wofür der Steuerzahler vielleicht auch noch bluten muß, wie wir es heute in den USA sehen. Hier erkennen Sie ganz deutlich das Bankiersdenken, das heute in der CSU vorherrscht.
Dagegen mobilisierte allein die BüSo die Bevölkerung mit zigtausend Flugschriften 2007 und 2008 für ein bundesweites und eurasisches Transrapidnetz. Der Innovationsschub, den wir mit dieser neuen Technik hervorrufen könnten, war Kernstück von vielen Debatten auf der Straße. Hier lag das Potential für ein „neues Airbusprojekt“. Die CSU dagegen ließ sich aus Inkompetenz in das Ude „Bimmelbahnprojekt“ München-Flughafen einboxen. Sie weigerte sich, trotz unserer Diskussionen auf allen Ebenen, sich wieder in den Dienst einer aktiven Industriepolitik zu stellen. So wurden nur ein paar Plakate für den Transrapid geklebt und dabei blieb es. Die Bevölkerung war hilflos den fortschrittsfeindlichen Medien ausgeliefert. Privat erzählten mir CSU-Abgeordnete, daß sie persönlich für den Transrapid seien, aber gegen Ude und die SPD-Medien nicht aufzustehen wagten. Ein Echo auf staatliche Industriepolitik kam dagegen aus dem Raum Regensburg, als zwei Landtagsabgeordnete die Verlängerung der Transrapidstrecke in die Oberpfalz vorschlugen.
Frage: Aber die CSU ist doch besser als die SPD oder?
Kaiser: Den Unterschied müßten Sie mir erst zeigen. Schauen Sie sich bitte die beiden programmatischen Aussagen an. Und zwar die Erklärung von Herrn Wowereit und Herrn Henzler. Der SPD-Bürgermeister des bankrotten Berlin, Klaus Wowereit, äußerte im Wahlkampf 2006: „Berlin muß sich mit einer Zukunft als nachindustrieller Stadt anfreunden. Unsere zukunftsorientierten Felder konzentrieren sich auf Dienstleistungen, Tourismus, Mode…“ Und jetzt hören Sie genau auf die Worte von Herrn Henzler, ehemaliger Chef der Unternehmensberatung McKinsey, der das Gutachten „Zukunft Bayern 2020“ für die Staatsregierung verfaßte: „Wir sind in einer Zeit des Übergangs von einer Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft. Ich denke, daß in Großunternehmen in den kommenden Jahren kaum neue Arbeitsplätze entstehen werden. Dagegen sehe ich ein großes Potential im Dienstleistungssektor.“ (Der Spiegel 6/96)
Es gleicht sich wie ein Ei dem anderen. Und hier können Sie inhaltlich erkennen, was ich mit „vaterloser Partei“ meine. Die CSU ist dem Wertewandel erlegen. Von Fritz Schäffer zur Dienstleistungsgesellschaft. Für Fritz Schäffer waren Dienstleistungen Kosten, nicht Gewinn. Früher war produktive Industrieentwicklung zur Förderung des Gemeinwohls mit qualifizierten Arbeitsplätzen das Ziel. So konnte ein Alleinverdiener eine ganze Familie ernähren, Krankenversicherung und Rente konnten bedient werden. Mit Billigjobs und Teilzeitarbeit wird ein ganzer Organismus von Familie bis zu sozialer Absicherung zerstört. Die Armut nimmt zu. Eine jüngst veröffentlichte Studie, die für die Hans-Böckler-Stiftung angefertigt wurde, berichtet, daß „in keinem anderen europäischen Land der Niedriglohnsektor so stark gewachsen ist, wie in Deutschland“. Da Henzler u. Co. dem amerikanischen Vorbild nacheifern, ist der Niedergang wie in Amerika unsere Zukunft. In Amerika liegt der Anteil der Industriearbeiter an der Gesamtbeschäftigtenzahl unter 12%. In Deutschland waren es 1970 noch 44% produktiv Beschäftigte, aber 2003 nur noch 22,6%. Diese Scharlatanerie, daß Dienstleistung oder Spekulation Reichtum schaffe, gilt es als Lüge zu entlarven, und eine solide Industriepolitik an deren Stelle zu setzen. Der weltweite Bankenkrach eröffnet jetzt die Gelegenheit, mit diesem Betrug aufzuhören und den Bürgern wieder gute Arbeit, die Familien erhält, zugänglich zu machen.
Frage: Haben Sie auch ein Herz für die Landwirtschaft oder nur für die Industrie?
Kaiser: Jeder achte Arbeitsplatz der Volkswirtschaft wird durch die Landwirtschaft geschaffen. Wir haben heute, Gott sei Dank, eine mechanisierte Landwirtschaft, die es einem Familienbetrieb ermöglicht, ohne Knechte, die Billigarbeitskräfte von damals, auszukommen. Doch mit den niedrigen Erzeugerpreisen der Globalisierung wird eine produktive Landwirtschaft zerstört. Der Niedergang der Produzenten findet sowohl in Landwirtschaft als auch Industrie statt. Nehmen Sie den Milchstreik. Die Milchbauern mußten einen eigenen Verband gründen, um sich vor der CSU und ihrem Bauernband zu schützen. Der Bauernverband, der sich in schönster Eintracht mit der CSU weiß, akzeptiert das Landwirtesterben. Er schaut zu. 1990 gab es in Bayern noch 120.000 Milchviehbetriebe, heute sind es gerade noch 50.000. Und die stehen mit dem Rücken zur Wand, weil sich die Erzeugerkosten nicht mit dem Milchpreis decken. Auf die Dauer kann nicht unterhalb der Kosten produziert werden. Die BüSo fordert deshalb die Wiedereinführung des Paritätspreises.
Frage: Worin unterscheidet sich Ihre Landwirtschaftspolitik von der des Bauernverbands?
Kaiser: Erstens gilt es, Nahrungsmittelsicherheit für die Menschen zu garantieren, statt Nahrung zum Spielball der Spekulanten zu machen. Zweitens muß die Politik des Freihandels als die Politik der Kartelle und Banken geächtet werden. Nicht billig und billiger ist das Kriterium für Ernährungspolitik, sondern der Erhalt der Erzeuger muß der Maßstab sein. Wir haben es mit Nahrungsmittelknappheit zu tun. Die Vorratslager der EU sind abgebaut. In 37 Ländern gab es Hungeraufstände. Wir tragen hier in Bayern mit zur Knappheit bei, weil wir 10% der landwirtschaftlichen Fläche für Biosprit- und Biogasproduktion mißbrauchen. Wir brauchen ein sofortiges Verbot von Biosprit und ein Spekulationsverbot für Nahrungsmittel, wie es der französische Landwirtschaftsminister Barnier gefordert hat. Warum unterstützte die CSU seine Forderung nicht? Wir brauchen eine Verdopplung der Nahrungsmittelproduktion weltweit in den nächsten Jahrzehnten, dazu gehört auch Bayern. Der Schutz der landwirtschaftlichen Betriebe ist oberstes Gebot. Zum Schluß sage ich deutlich: Der gepriesene Wertewandel hat uns in die große Krise gestürzt. Wir kommen nur durch ein Umdenken aus dem Desaster heraus. Der Verfassungsauftrag ist das Gemeinwohl. Und nur durch den Schutz der schöpferischen Arbeit der Menschen, sowohl in Landwirtschaft als auch Industrie, können wir einen weiteren Absturz verhindern und aus der Krise herausfinden. Stimmen Sie deshalb diesmal für die Zukunft Ihrer Kinder, wählen Sie BüSo!
Lesen Sie hierzu bitte auch: Rosenheim muß wieder Industriestadt werden! - Neue Solidarität Nr. 34/2008 Kernkraft: Symbol für den Wiedereintritt ins Industriezeitalter - Neue Solidarität Nr. 32/2008 Die weltstrategische Bedeutung der Münchener Transrapidstrecke - Neue Solidarität Nr. 9/2008 Die heutige Krise ist die Gelegenheit, die Welt wieder zur Vernunft zu bringen - Neue Solidarität Nr. 9/2008 Stellungnahmen und Reden der BüSo-Vorsitzenden - Internetseite der Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo) |
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