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Aus der Neuen Solidarität Nr. 36/2008

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„Jedoch der schrecklichste der Schrecken...“
Weltkrieg aus Fehlkalkulation?

Von Helga Zepp-LaRouche

Strategische Krise. In Rußland mehren sich die Stimmen, die die gegenwärtige Lage zu Recht mit der Kubakrise von 1962 oder den georgischen Präsidenten Saakaschwili mit Gavrilo Princip, dem Sarajewo-Schützen von 1914, vergleichen. Wie bei der Reaktion auf die Tet-Offensive in Vietnam unterschätzt der Westen die Kräfte, mit denen er es zu tun hat.

Der russische Ministerpräsident Putin hat die USA beschuldigt, hinter dem georgischen Angriff auf russische Friedenstruppen und die Zivilbevölkerung in Südossetien zu stehen; er habe Beweise dafür, daß amerikanische Militärberater bei den Kampfeinsätzen beteiligt gewesen seien, und dies könne nur das Ergebnis von Befehlen von höherer Ebene gewesen sein. Das ist nicht sehr weit entfernt vom Kriegsfall. Wenn man dann noch die Torheit berücksichtigt, amerikanische Flottenverbände ins Schwarze Meer zu schicken, wo das Potential für Zwischenfälle mit der russischen Marine extrem hoch ist, wird deutlich, wie gefährlich nahe die Welt sich an einer Konfrontation befindet, die vollständig aus dem Ruder laufen kann.

Der hochrangige russische Militärberater Leonid Iwaschow warnte indessen, die Krise um Georgien könne zu einer neuen Kubakrise wie 1962 führen, und stellte den Zusammenhang mit der Systemkrise des Finanzsystems her: „Wir sehen, daß in den Vereinigten Staaten und den NATO-Staaten bestimmte strategische Vorbereitungen im Gang sind. An welchem Punkt sie stoppen werden, ist schwer zu sagen. Der lokale Konflikt in Georgien war kein Ziel an sich; er war bloß der Auslöser eines größeren und komplexen Spiels, eine geopolitische Operation. Das sie antirussischer Natur ist, ist ohne Zweifel. Instabilität und Chaos in anderen Regionen auszulösen, wird zur Hauptpolitik Washingtons. Einige amerikanische Führer sprechen darüber schon ganz offen.“

Und dann fügte General Iwaschov ein Argument hinzu, das schwerlich zu entkräften ist und über dessen Implikationen es sich gründlich nachzudenken lohnt:  „Ein weiteres Anzeichen, daß der Westen die Möglichkeit, die bestehenden Probleme durch militärische Kataklysmen zu lösen, nicht ausschließt, ist, daß das Problem der Finanzkrise selbst auf der Ebene der G-8 nicht angesprochen wurde.“ In der Tat, obwohl inzwischen Alan Greenspan von einer Jahrhundertkrise spricht und von Tausenden Banken die Rede ist, denen die Insolvenz droht, war die Systemkrise kein Thema auf dem letzten G8-Gipfel in Japan.

Lyndon LaRouche kommentierte Iwaschows Einschätzung, indem er auf die britische Urheberschaft der geopolitischen Konfrontationsstrategie gegenüber Rußland hinwies, wofür nicht nur der Charakter der Marionetten-Regierung in Tiflis spricht, die ihre Existenz und Finanzierung voll und ganz George Soros verdankt, sondern auch die besondere Rolle, die Dick Cheney in der US-Regierung spielt.

Der russische NATO-Botschafter Dmitrij Rogosin verglich Saakaschwili mit Gavrilo Princip, dem Attentäter, der 1914 in Sarajewo den Schuß auf den Erzherzog Franz Ferdinand abgegeben hatte. Leider sind die Parallelen zu der Vorgeschichte des Ersten Weltkriegs nur zu offensichtlich. Damals wie heute gleicht die politische Landschaft einem Schachbrett, das die Wesensmerkmale britischer Geopolitik aufweist. Den Aktivitäten des Prinzen Edward von Wales, dem späteren König Edward VII, beim Zustandekommen von Entente Cordiale, Tripple Entente und den Balkankriegen entspricht heute die Rolle von Margret Thatcher und Mitterand beim Zustandekommen des Maastrichter Vertrages, mit der die imperiale Ausrichtung der EU begonnen wurde, und die Rolle von Blair bei der Montage der angeblichen Beweise für den Irakkrieg, um nur zwei von vielen Elementen herauszugreifen.

Es ist kaum zu fassen: obwohl jeder Mensch mit einem gesunden Menschenverstand sehen kann, wie die Welt auf eine potentielle Katastrophe zurast, verhalten sich die Regierungen wie Figuren auf diesem Schachbrett, die nach Skript agieren, aber kaum selbst zu denken scheinen oder gar auf die Idee kämen, das Schachbrett auf den Müll zu werfen und ein anderes Spiel mit anderen Regeln auf die Tagesordnung zu setzen. Ein Beispiel dafür war der wahnsinnige Vorschlag von Sanktionen gegen Rußland, der offensichtlich von Masochisten gemacht wurde, die gerne im Winter im Kalten und im Dunkeln sitzen.

Lyndon LaRouche warnte, daß die Briten und ihre amerikanischen Handlanger heute eine Politik verfolgen, die der Reaktion der amerikanischen Streitkräfte auf die Tet-Offensive des Vietkong und Nordvietnams 1968 gleichen. Der damalige Verteidigungsminister McNamara und General William Westmoreland hätten damals den strategischen Fehler begangen, die militärische Stärke des Gegners vollständig zu unterschätzen, was dann zur amerikanischen Niederlage führte. Diese Mentalität bestimme heute nicht nur die Bush-Cheney-Administration, sondern auch die beiden designierten Präsidentschaftskandidaten, McCain und Obama. Nur liege der Unterschied darin, daß wir es heute mit der Gefahr eines Atomkrieges zu tun hätten.

Dieses ideologisch getrübte Wunschdenken zeigte sich zum Beispiel in der Interpretation der angeblich nicht vorhandenen Unterstützung Rußlands durch die anderen Mitglieder der SCO. So riß die Financial Times den Satz der gemeinsamen Erklärung der SCO, daß alle Seiten versuchen sollten, existierende Probleme durch friedlichen Dialog zu lösen, derart aus dem Zusammenhang, als würde dadurch vor allem eine Kritik Chinas an Rußland ausgedrückt. In Wirklichkeit machte der chinesische Botschafter in Moskau Liu Guchang in seinem Treffen mit dem stellvertretenden Außenminister Alexej Borodawkin sehr deutlich, daß China die politischen und legalen Gründe für die Anerkennung der Unabhängigkeit Südossetiens und Abchasiens durch Rußland verstehe.

Daß China, dessen territoriale Integrität selber durch britisch inspirierte Destabilisierung in Tibet und Xingkiang bedroht ist, sich an vorsichtige Formulierungen hält, sollte nicht überraschen. Wer aber heute mit der gleichen Mentalität wie bei der Reaktion auf die Tet-Offensive meint, daß man es in einem Krieg mit Rußland nicht auch mit China zu tun hätte, der ist einfach blind.

Die strategische Partnerschaft zwischen Rußland und China sowie die SCO sind zwar nicht offensiv aufgestellt, wenn sie allerdings angegriffen werden, stellen sie eine gemeinsame Militärmacht dar, an der sich der Angreifer die Zähne ausbeißen würde, von der geographischen Unmöglichkeit, diese Länder zu besetzen, einmal ganz abgesehen. Das ist ja nicht einmal im Irak oder in Afghanistan gelungen.

Wie sehr sich die hypnotisierten Massen, die Obama in Berlin zujubelten, im Irrtum befanden, als sie seinen Versprechungen über den „Wechsel“ in der Politik Glauben schenkten, wurde spätestens bei Obamas Reaktion auf die georgische Aggression deutlich, bei der er sich eindeutig auf die Seite des Aggressors stellte. Noch deutlicher wurde sein von ihm gewählter Vizepräsidentschaftskandidat Joe Biden, der auf seiner Rede beim Parteitag in Denver aus der georgischen Invasion in Südossetien kurzerhand die „russische Invasion in Georgien“ machte und dann die angebliche russische Bedrohung beschwor: „In den letzten sieben Jahren hat es die Regierung versäumt, sich den größten Kräften zu stellen, die dieses Jahrhundert gestalten werden: dem Aufkommen Rußlands, Chinas und Indiens als Großmächten, der Verknappung von Energie, Nahrungsmitteln und Wasser, der Herausforderung des Klimawandels, den Wiederaufkommen des Fundamentalismus in Afghanistan und Pakistan, der zentralen Front gegen den Terrorismus. In den letzten Tagen haben wir mit Rußlands Herausforderung für das freie und demokratische Land Georgien erneut die Konsequenzen der Nachlässigkeit gesehen. Barack Obama und ich werden dieser Vernachlässigung ein Ende setzen. Wir werden Rußland für sein Handeln zur Rechenschaft ziehen und dem georgischen Volk beim Wiederaufbau helfen.“

Die Bush-Administration war also, wenn es nach Senator Biden geht, zu mild. Und Obama beeilte sich nach der Anerkennung der Unabhängigkeit Südossetiens und Abchasiens durch Rußland, noch vor dem Weißen Haus und McCain zu verlangen, daß eine Sitzung des UN- Sicherheitsrates einberufen werden solle, die das Vorgehen Rußlands verdammen solle.

Der britische Außenminister und mögliche Nachfolger Gordon Browns, David Miliband, eskalierte derweil bei seinem Besuch in Kiew die Lage weiter, indem er die Ukraine aufforderte, ihre Beziehung zu Rußland umzugestalten. Die Financial Times schlug im Zusammenhang mit Milibands Besuch vor, die EU solle jetzt umgehend der Ukraine die Mitgliedschaft anbieten, um damit die Schwierigkeiten des Beitritts der Ukraine in die NATO zu überwinden. Denn während die ukrainische Bevölkerung in Bezug auf den NATO-Beitritt gespalten sei, sei sie mehrheitlich für einen Beitritt in die EU.

Dabei ist die Behauptung der FT, ein EU-Beitritt sei weniger provokant als der Beitritt in die NATO, eine glatte Lüge. Denn vor allem der Lissaboner Vertrag, der eine vollständige Militarisierung der EU bedeuten würde, hat ganz explizit eine Solidaritätsklausel, bei der im Krisenfall alle EU-Mitglieder militärisch gefordert würden, und sich selbst die Länder nicht entziehen könnten, die ein solches Vorgehen ablehnen. Da Bundeskanzlerin Merkel und Präsident Sarkozy den EU-Vertrag nach wie vor durchsetzen wollen, obwohl er mit dem irischen Nein beim Referendum eigentlich erledigt ist, könnte jegliche zukünftige Krise um die Ukraine nach deren Beitritt benutzt werden, um den Lissaboner Vertrag quasi durch die Hintertür einzuführen.

Das sogenannte „neue Europa“ - also die baltischen Staaten, Polen, Tschechien, Ungarn, Rumänien, und Bulgarien, noch gut in Erinnerung für ihre Befürwortung des Irakkriegs - wollte am Wochenende eine gemeinsame Position für den Sonder-Gipfel der EU zur Krise im Kaukasus erarbeiten. Das „alte Europa“, also Deutschland, Frankreich, Italien usw., muß klarstellen, daß es zu einer Partnerschaft mit Rußland keine Alternative gibt.

Wenn wir nicht wie die Lemminge auf den Abgrund zumarschieren wollen, dann müssen wird das geopolitische Schachbrett des Britischen Empire verlassen und gemeinsam mit Rußland, China, Indien und anderen Staaten handeln, um eine neue Finanzarchitektur auf die Tagesordnung zu setzen. Welche Rolle die USA dabei spielen werden, ist noch völlig offen. Denn außer der Nominierung von Obama und McCain ist noch nichts entschieden, und bis zum November ist es noch lang. Eines ist gewiß: die Rolle der LaRouche-Bewegung, von LPAC in den USA und BüSo in Deutschland, ist wichtiger den je.

 

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