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Aus der Neuen Solidarität Nr. 27/2008 |
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Im Wortlaut Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Lyndon und Helga LaRouche am 18. Juni in Rom gab die italienische Senatorin Lidia Menapace die folgende Erklärung ab.
Ich bin zwar keine Wirtschaftsexpertin, aber ich unterstütze die Wirtschaftsanalysen, die hier vorgetragen wurden. Mein Interesse gilt vor allem der Demographie, und ich werde auf diesen Aspekt eingehen. Zunächst aber möchte ich Sie bitten, die wirtschaftlichen Vorstellungen von Samir Amin zu beachten, dieses großen arabischen Ökonomen, der lange an der Sorbonne gelehrt hat und derzeit das Weltforum gegen Globalisierung leitet. Er hat eine Idee von eigenständiger Entwicklung, das man vielleicht im Kopf behalten sollte, da unser Entwicklungsmodell nicht notwendigerweise auch für die Völker anderer Kontinente gut sein muß.
In der Lissabon-Frage bin ich einer Meinung, und ich bin sehr glücklich, unter den ersten gewesen zu sein, die dem irischen Volk gedankt hat. Und ich möchte daran erinnern, daß Berlusconi bei den amerikanischen Wahlen McCain seine Unterstützung gegeben hat.
In der italienischen Linken ging häufig die Parole um, Maastricht neu zu verhandeln, doch würde ich die Robin-Hood-Steuer, die Tremonti jetzt einbringen will, der Tobin-Steuer vorziehen. Aber man wird sehen, was passiert.
Ich möchte mit Malthus beginnen, aber ich werde auch gleich auf die Gegenwart zurückkommen. Malthus hat als erster festgestellt, daß die industrielle Revolution die natürliche Bevölkerungsregulierung beeinflussen würde. Unter natürlicher Bevölkerungsregulierung versteht man, daß die Demographie vor der industriellen Revolution durch Kindersterblichkeit, Überschwemmungen, Hunger und Naturphänomene reguliert wurde, gegenüber denen sich die Menschen machtlos fühlten. Deswegen stimmt das alte christliche Bittgebet „Gott bewahre uns vor Krankheit, Hunger und Krieg“. Die industrielle Revolution hat zumindest die ersten beiden dieser Plagen besiegen helfen: Die Medizin besiegte die Infektionskrankheiten, und der Hunger konnte überwunden werden, aber es war weitaus schwieriger, den Krieg zu bezwingen, und das ist es noch heute.
Doch kommen wir auf heute zu sprechen. Mitte der siebziger Jahre veröffentlichte das MIT, eine sehr angesehene Universitätseinrichtung in den USA, zwei Bände, die vom Club of Rome ins Italienische übersetzt und weit verbreitet wurden. Darin ging es um die Grenzen der Entwicklung, die malthusianischen Ideen wurden wieder aufgegriffen und neu verpackt. Es hieß dort, wenn wir uns nicht darüber bewußt würden, daß die demographische Bombe kurz vor der Explosion stehe, wir bald nichts mehr zu essen haben würden. Im zweiten Band hieß es, die demographische Bombe sei bereits explodiert, weswegen man zu dem alten System der Bevölkerungskontrolle zurückgehen müsse: Mögen die Infektionskrankheiten wieder ihr Werk vollbringen, denn die Gesundheitssysteme in den sogenannten unterentwickelten Ländern seien nutzlos. Man müsse sich wieder den Religionen zuwenden, die zur Resignation aufforderten, und, so hieß es, lassen wir der Natur wieder ihren Lauf. Das ist ganz schrecklich, aber heute sind wir wieder an diesem Punkt angelangt. Die Menschen sterben, und was sollen wir tun?
Helga [Zepp-LaRouche] sagte, es gebe vor allem eine ethische Verantwortlichkeit, und dem stimme ich vollkommen zu. Derzeit gibt es weltweit ein Problem mit der politischen Ethik, was das Bewußtsein der Leute aufrütteln sollte. Der Umstand, daß dies nicht einen sofortigen Skandal auslöst, bedeutet, daß die Menschheit den Status des Menschseins verliert. Ich weiß nicht, wie ich es anders ausdrücken soll: Eine, vom kulturellen Standpunkt aus betrachtet, schreckliche Dekadenz.
Was kann man also tun? Wir sollten die Nahrungsmittelproduktion kontrollieren; das sollten wir selbst in die Hand nehmen, davon bin ich fest überzeugt.
Ich möchte Ihnen dafür einige Beispiele geben. Ich lebe in Südtirol. In einem Tal dort oben gibt es ein Saatgut-Institut, das Getreidesaaten auswählt und konserviert, die sich auch im kalten Klima und in großer Höhe anbauen lassen. Doch das geht jetzt nicht mehr; die Auswahl von Saatgut wurde von der FAO verboten, weil die Bauern das von den Multis patentierte Saatgut kaufen sollen. Das ist steril, und deswegen muß es jedes Jahr neu gekauft werden. Wer dagegen verstößt, droht vor Gericht zu landen, aber ich hoffe, daß es nicht soweit kommt und jemand dadurch zu Schaden kommt.
Es gibt ein ähnliches Phänomen auf Sardinien, wo sich aus natürlichen Umständen eine Kleeart verbreitet hat, die als Futter für Schafe besonders geeignet ist. Aber auch auf diese Kleeart gibt es ein Patent, weswegen niemand den Samen benutzen darf, sondern jedes Jahr muß er neu gekauft werden, wodurch sich die Bauern verschulden. Deswegen ist es absolut entscheidend, Patente auf Saatgut abzuschaffen, um u.a. auch die große Artenvielfalt zu erhalten. Durch den ständigen Rückgang der Artenvielfalt geht auch viel von dem Geschmacksreichtum und Nährwert der Nahrungsmittel verloren, und wenn die patentierten Arten von Krankheiten, Viren oder Parasiten befallen werden, hätte das Folgen für uns alle.
Ich stimme ganz mit der Tatsache überein, daß man angesichts der fürchterlichen Krise, die besonders die Politik betrifft, unter keinen Umständen sagen darf, die Demographie müßte wieder von den Naturgesetzen bestimmt werden. Das bedeutete einen Rückschritt auf einen Stand, wie er lange vor der industriellen Revolution herrschte. Zwei Jahrhunderte Geschichte lassen sich nicht einfach auslöschen.
Ich bin auch sehr dafür, Anreize für eine weitgehende Selbstorganisation von unten zu schaffen. Ein Beispiel hierfür sind Gruppen in Italien mit der Abkürzung GAS, das sind solidarische Einkaufsgenossenschaften, wovon es in Piemont bereits mehrere gibt, die den Weg zwischen Erzeuger und Verbraucher abkürzen wollen. Leute schließen sich zusammen, nehmen einen Lastwagen und fahren direkt zu den Bauern, um zum Beispiel Kartoffeln zu kaufen, denn es ist nicht nötig, daß die Kartoffeln von irgendwo sonst herkommen.
Äpfel aus China werden nach Bozen gebracht, wo sie preislich mit den Äpfeln aus Südtirol konkurrieren - das ist absurd. Die Südtiroler Bauern organisieren einen Boykott gegen die chinesischen Äpfel, denn die chinesischen Bauern erhalten für diese Äpfel nichts, nur damit sie bei uns konkurrenzfähig sind. Es läßt sich auch nicht überprüfen, welche Schädlingsbekämpfungsmittel verwendet wurden, und wenn die Äpfel sicher aus China hier ankommen sollen, sind dafür Hunderte Kilo Verpackungsmaterial erforderlich.
Es ist auch ein Zweckbündnis mit der Camorra bei der Müllentsorgung entstanden, wobei Müll zu einer lukrativen Handelsware geworden ist. Müll gewinnt an Wert, wenn er von Neapel nach Berlin, von Berlin nach Neapel, von Neapel nach Berlin und von Berlin nach Afrika transportiert wird, das genau genommen die Müllhalde der Welt ist. Jeder, der sich in dieses Geschäft einklinkt, macht gutes Geld.
Dieser Notstand läßt sich nicht lösen, er pflanzt sich immer weiter fort. Was hilft, ist, die Produktion von Müll zu senken. Man sollte Frauengruppen organisieren, die, wenn sie nicht direkt beim Bauern kaufen, alle Verpackungen in den Supermärkten lassen sollten, wenn sie dort einkaufen. Sollen sich doch die großen Verteilerketten etwas einfallen lassen; sie könnten mit den Multis verhandeln, weniger Müll zu produzieren, weil sonst der Absatz zurückgeht. Es gibt noch viele weitere Initiativen dieser Art: Selbsthilfe beim Bau zum Beispiel. Sogar bei Sicherheitsfragen könnte man das Prinzip der guten Nachbarschaft wiederbeleben, was sicher in Deutschland und England und vielleicht in Norditalien sinnvoll wäre. Dadurch entstehen nichtkommerzielle Beziehungen zwischen den Leuten und ein Minimum an öffentlicher Kontrolle...
Ich bemühe mich darum, eine Beziehungsnetzwerk aufzubauen, Mikroinitiativen, an denen aber viele Menschen beteiligt sind - in einem „kleineren“ Italien, von dem man nichts in der Zeitung lesen kann, das aber noch nicht abgestorben, homogenisiert und gefühlstot ist. Es hat noch ein Zentralnervensystem und reagiert noch ein wenig. Ich meine, Leute, die mit Politik zu tun haben, sollten dem viel Aufmerksamkeit schenken, sollten ihre Augen und Ohren offen halten, denn Italien ist voll solcher Initiativen, solidarischer Kaufgruppen und Versuchen, die Dinge auf dem Marktplatz zu regeln. Einiges geht, anderes nicht. Es gibt auch einiges, das sehr verdächtig ist - offenbar ist nichts ohne Risiko. Ich meine, das ist nicht das einzige, was man tun kann, denn ich lehne alles ab, was nach zu viel Monotheismus aussieht.
Ich hoffe, davon viele Menschen verschiedenster politischer Richtungen zu überzeugen, so daß wir irgendwann Europa wirklich zurückgewinnen - für ein Abkommen, das alles andere als eine Verfassung ist.
Ich erinnere mich an eine große Versammlung der Rechtsfakultät der Sapienza [-Universität] in Rom, auf der alle wichtigen Verfassungsrechtler Italiens sagten: Nein, darüber [den Vertrag von Lissabon] kann man nicht abstimmen, er ist keine Verfassung. Er hat 400 Artikel, die alle aus einer Denkschule stammen.
Verfassungen sind ein Ausgleich zwischen den großen Interessen, die es in einem Volk gibt. In der italienischen Tradition sind das mindestens drei große kulturelle Strömungen: das Liberale, die christliche Solidarität und die linke Arbeiterbewegung. Die gültige italienische Verfassung ist ein Ausgleich zwischen diesen dreien auf hoher Ebene. Ich erinnere nur an den Artikel 1, der sich auf die Arbeiterschaft gründet. Die Definition des Begriffs „lavoro“, die den Ausgleich zwischen der demokratischen Republik und den Arbeitern ist, stammt beispielsweise von Moro.
In dem europäischen Verfassungsentwurf von Giscard d’Estaing findet sich nichts Vergleichbares, weswegen die Verfassungsrechtler meinen, diese sei keine Verfassung, weil sie nur einen einzigen Gedanken beinhalte, und auch wegen der Art ihrer Entstehung. Da sie gescheitert ist, und auch der Ersatz des Ersatzes - genannt Lissabon - gescheitert ist, wird die Position Giscard d’Estaings immer schlimmer.
Ich meine, ein möglicher Ausweg aus der Sackgasse, in die Europa hineinmanövriert wurde, ist, sich wieder auf die Demokratie als Ganzes einzulassen. Man kann nicht sagen, daß die Menschen in Irland, die gegen den Vertrag gestimmt haben, rechts sind, denn es war eine Volksabstimmung. Entweder nimmt man die Demokratie als Gesamtheit, oder man sagt: „Ermutigen wir sie nicht, denn das wird sich nicht gut mit diesen Interessen vertragen.“ Das ist dann aber der Beginn einer Spirale einer autoritären, oligarchischen Demokratie, die extrem gefährliche Tendenzen zur Folge hätte. Das kennen wir in Italien: Das ist der maximale Wirtschaftsliberalismus und gleichzeitig der maximale Polizeistaat. In Italien erlebten wir das unter dem Faschismus.
Lesen Sie hierzu bitte auch: LaRouche: Wir befinden uns weltweit in einer revolutionären Lage! - Neue Solidarität Nr. 26/2008 Die zentralen Fragen: Nahrungsmittelkrise und Hyperinflation - Neue Solidarität Nr. 26/2008 „UN-Vollversammlung muß neue Weltwirtschaftsordnung behandeln“ - Neue Solidarität Nr. 26/2008 |
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