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Aus der Neuen Solidarität Nr. 27/2008

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Schiller-Institut dominiert Anhörung zur Nahrungsmittelkrise

Dänemark. Mitglieder des dänischen Schiller-Instituts intervenierten in eine Anhörung des Außenpolitischen Ausschusses des dänischen Parlaments.

Am 23. Juni veranstaltete der Außenpolitische Ausschuß des dänischen Parlaments eine Anhörung zur internationalen Nahrungsmittelkrise. Schon im Mai, vor der Konferenz der FAO in Rom, hatte das Schiller-Institut seine Kampagne für eine Verdoppelung der Nahrungsmittelproduktion vor diesem Ausschuß vorgestellt.

Bei der Anhörung waren etwa 100 Personen anwesend, darunter Abgeordnete, Vertreter von Interessenverbänden und humanitären Organisationen und fünf Mitglieder des Schiller-Instituts. Die Veranstaltung wollte ein Forum für die Diskussion über die Nahrungsmittelkrise bieten und den Abgeordneten Hinweise geben, wie man mit der Krise umgehen kann. Vier Experten stellten ihre Positionen dar, und dann wurde dem Publikum Gelegenheit gegeben, sich an der Diskussion zu beteiligen.

Die Anhörung war in zwei Abschnitte unterteilt. Zunächst sprach Prof. Henrik Hansen vom Institut für Ernährungs- und Rohstoffwirtschaft der Universität Kopenhagen, der gleich zu Beginn erklärte, er spreche als Ökonom und nehme als solcher keine ethischen Bewertungen vor. Die Presseberichte über die Nahrungsmittelkrise seien „aufgebauscht“. Dann versuchte er zu zeigen, daß es keine Teuerungskrise bei Nahrungsmitteln gebe, wenn man die Inflation und die Subventionen der Regierung berücksichtige. Es gebe nicht zuwenig Nahrungsmittel, sondern lediglich ein Problem der Verteilung.

Dann sprach der dänische Vertreter des Welternährungsprogramms der UNO, Torben Due, der der Realität schon näher kam und die Wirkung der Preissteigerungen auf die ärmsten Schichten der Weltbevölkerung beschrieb, deren Lage sich immer mehr verschlimmere. Insbesondere wies er darauf hin, daß die Unterernährung von Kindern unter fünf Jahren deren Fähigkeit, später etwas zur Gesellschaft beizutragen, stark beeinträchtige; dieses Problem könne sogar noch an die folgende Generation weitergegeben werden. Die Investitionen in die Entwicklung der Landwirtschaft in den ärmsten Ländern seien in den letzten Jahren auf die Hälfte zurückgegangen.

Dann wurden Fragen aus dem Publikum zugelassen. Zunächst sprach der konservative Abgeordnete Lars Barfoed, der den Ökonomen vorwarf, sie würden die Freihandelslinie zu unkritisch vertreten, und die Frage stellte, ob nicht etwas Grundsätzliches fehle, wenn es darum gehe, die Nahrungsmitteproduktion in Afrika sicherzustellen und zu stimulieren.

Dann bat die Vorsitzende des Ausschusses, Gitte Seeberg, den Vorsitzenden des dänischen Schiller-Instituts, Tom Gillesberg, ans Mikrophon. Gillesberg wies noch einmal auf die Kampagne des Instituts für eine Verdoppelung der weltweiten Nahrungsmittelproduktion hin und sagte dann: „Hier muß die Frage, warum die Nahrungsmittelproduktion der Welt pro Kopf in den letzten 20 Jahren gesunken ist, untersucht werden. Das ist die Folge einer bewußten Politik. Die Welthandelsorganisation WTO betrieb eine Kanonenbootpolitik, mit der sie Nationen zur Aufgabe ihrer nationalen Nahrungsmittelprogramme zwang. Wenn wir aus dieser Lage herauskommen wollen, müssen wir zur Politik der Nachkriegszeit zurückkehren, wo es wirkliche Programme gab, wo jedes Land das Recht hatte, seine nationale Nahrungsmittelproduktion sicherzustellen und sogar noch etwas zu exportieren. Das wurde verboten, weil die Ökonomen behaupteten, man dürfe die Märkte nicht regulieren.

Diese Krise ist das Zeichen an der Wand. Wenn wir nicht auf die gegenwärtige globale Nahrungsmittelkrise reagieren können und eingestehen, daß dies eine Folge der Politik des globalen Liberalismus ist, in der die Märkte alles bestimmen, dann wird die Welt um uns herum zusammenbrechen. Man muß erkennen, daß sich die Ökonomen geirrt haben, und daß der Marktliberalismus gescheitert ist. Die Politiker müssen eingreifen, um die nationale Nahrungsmittelproduktion sicherzustellen und die Märkte zu regulieren. Wenn wir Preissteigerungen aufgrund riesiger Spekulationen sehen, wie heute, müssen die Politiker eingreifen und die Spekulationen stoppen. Sie müssen erklären: ,Nahrung ist etwas, was jeder braucht. Sie ist zu wichtig, um die Marktmechanismen darüber bestimmen zu lassen. Wir haben eine politische Verantwortung, sicherzustellen, daß jeder die Nahrung bekommt, die er braucht.’“

Dies veranlaßte den Ökonomen, zu protestieren. Er glaube nicht, daß die Welt untergehe, und er zeigte an einem Diagramm, daß die Nahrungsmittelproduktion gestiegen sei. Er mußte jedoch in Bezug auf die Märkte einräumen: „Wenn ich das als Ökonom betrachte, dann würde ich sagen: ,Absolut nicht!’ Aber als Mensch würde ich sagen: ,Ja, natürlich!’“

Gillesbergs Intervention gab der Veranstaltung einen anderen Verlauf: Die Frage Freihandel oder politische Intervention rückte nun ganz in den Mittelpunkt der Debatte.

Prof. Per Pinstrup-Anderson von der Cornell-Universität im US-Bundesstaat New York, der 2001 mit dem Welternährungspreis ausgezeichnet wurde, betonte, er sei nicht gegen den Freihandel, weil das Problem nicht im System oder an den Märkten liege, sondern im Mangel an Investitionen. Aber wenn der freie Markt funktionieren solle, müßten dafür die Voraussetzungen geschaffen werden: Die Verkehrsinfrastruktur in den Agrargebieten müsse entwickelt, die Gesundheits- und Bildungssysteme verbessert werden, und man brauche wissenschaftliche Forschung und Entwicklung. Investitionen in die Agrarproduktion hätten einen Multiplikatoreffekt für die gesamte Volkswirtschaft. Man müsse die Aufregung über die Nahrungsmittelkrise nutzen, um endlich zu handeln und die Probleme zu lösen.

Der letzte Experte, der angehört wurde, war Morton Emil Hansen, politischer Berater der Nothilfeorganisation der dänischen Kirche. Er betone, daß alle fünf Sekunden ein Kind Hungers sterbe. Er sei sehr enttäuscht über die Konferenz der FAO in Rom, an der er teilgenommen hatte. Die Nahrungsmittelkrise hänge sehr eng mit der internationalen Finanzkrise, der Spekulation mit Nahrungsmittelpreisen, steigenden Ölpreisen und der Äthanolproduktion zusammen. Er führte dies jedoch nicht näher aus und sagte nur, dies sei ein komplexes Problem, das als ganzes angegangen werden müsse. Die Finanzwelt habe 1000 Mrd. $ gesammelt, um die Kreditverknappung abzumildern, aber für die FAO seien nur 8-10 Mrd. $ zusammengebracht worden. Er forderte ein Ende der Biotreibstoffproduktion und betonte zum Schluß, Ernährung sei ein Menschenrecht.

In der anschließenden Diskussion kam nochmals das Schiller-Institut zu Wort. Feride Istogu-Gillesberg wies darauf hin, daß Lyndon LaRouche und seine Bewegung schon in den achtziger Jahren die Bewegung „Nahrung für den Frieden“ starteten, mit dem Ziel eines New Deal oder eines Marshallplans für die ganze Welt. Aber man habe nicht auf ihn gehört. Statt dessen habe man ein globalisiertes Finanzsystem und Finanzblasen geschaffen, die jetzt kollabieren. Der neue Trend sei die Spekulation mit Rohstoffen. Die Nahrungsmittelkrise zeige, daß man im sogenannten Freihandel zu weit gegangen sei. Die letzte Frage stellte Carlos Brobjerg, ein dänisch-argentinisches Mitglied der LaRouche-Bewegung, der den Vorschlag eines Neuen Bretton-Woods-Abkommens ansprach.

Feride Istogu-Gillesberg/Michelle Rasmussen

Lesen Sie hierzu bitte auch:
Dänisches Schiller-Institut informiert Parlament über Finanzkollaps
- Neue Solidarität Nr. 5/2008
LaRouche-Kandidaten prägen Debatte in Dänemark
- Neue Solidarität Nr. 47/2007

 

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