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Aus der Neuen Solidarität Nr. 25/2008 |
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Bei der Volksabstimmung über die Ratifizierung des Lissaboner Vertrags am 12. Juni haben die Iren den Vertrag bei einer Wahlbeteiligung von 53,1% mit 53,4% Neinstimmen gegen 46,6% Jastimmen mit deutlicher Mehrheit abgelehnt. Vor der Abstimmung hieß es noch, eine hohe Wahlbeteiligung werde den Befürwortern des Vertrages nutzen, und der Ausgang der Abstimmung werde vermutlich so knapp sein, daß sich erst gegen Ende der Auszählung zeigen werde, ob das Ja-Lager oder das Nein-Lager gewonnen habe. Tatsächlich zeigte sich schon früh am Freitag, daß die Mehrheit der Iren den Vertrag abgelehnt hatte - und das, obwohl die Wahlbeteiligung deutlich höher lag als bei der Ablehnung des Nizza-Vertrages durch die Iren 2001. Insgesamt sprachen sich nur 10 der 43 Bezirke für den Vertrag aus, 33 waren dagegen.
Damit ist der Vertrag, den sämtliche EU-Mitgliedstaaten ratifizieren müssen, damit er in Kraft treten kann, bis auf weiteres gestoppt. Es kursieren inzwischen zwar mehrere Szenarien, wie der Vertrag doch noch in Kraft gesetzt werden könnte, aber sie alle sind nur unter großen Schwierigkeiten zu realisieren. Und vor allem braucht ein solcher Versuch eine entsprechende Vorlaufzeit, da in jedem Falle ein neuer Vertrag ausgearbeitet werden muß, der dann ebenfalls ratifiziert werden müßte. Und Zeit ist angesichts des rapide voranschreitenden Finanzkollapses das, was die geistigen Väter des Versuchs, die EU heimlich in eine Diktatur zu verwandeln, am allerwenigsten haben.
Zuvor hatten bereits 18 der 27 EU-Mitgliedstaaten dem Vertrag zugestimmt, zuletzt Estland und Griechenland. Am 5. Juni stimmte auch eine Mehrheit des niederländischen Parlaments für die Ratifizierung des Lissaboner Vertrages. Nun muß der Senat (die Erste Kammer mit Vertretern der 12 Regionalparlamente) über den Vertrag beraten. Die Abstimmung ist dort für den Herbst geplant.
Die beiden Regierungsparteien, Christdemokraten (CDA) und sozialdemokratische PvdA, wurden bei der Stimmabgabe für den Vertrag von der liberalen VVD unterstützt. Die Sozialistische Partei (SP), drittgrößte Partei im Parlament und an der Spitze des Anti-Lissabon-Kampfes, stimmte ebenso wie der Rechtspopulist Geert Wilders und die Partei für Tierrechte (PvdD) gegen den Vertrag. Harry van Bommel, der außenpolitische Sprecher der SP, hatte eine von 42.000 Bürgern unterzeichnete Petition gegen den Vertrag vorgelegt, um damit Unterstützung für ein Referendum zu organisieren, das vom Parlament allerdings zurückgewiesen wurde.
Die Internetseite eu.observer.com zitiert van Bommel mit den Worten: „Es ist eine Schande, daß immer noch keine öffentliche Version des Lissaboner Vertrages erhältlich ist. Man will die Bevölkerung offensichtlich nicht informieren.“
Im Jahr 2005 war die Europäische Verfassung von den Parlamentariern ebenfalls bestätigt worden. Die Bürger der Niederlande und Frankreichs sprachen sich in einer Volksabstimmung dann allerdings gegen die Verfassung aus, in den Niederlanden mit einer Mehrheit von 61,5%. Diesmal gab es in den Niederlanden kein Referendum, aber die Stimmung in der Bevölkerung ließ vermuten, daß eine Abstimmung ähnlich wie in Irland gegen die Bildung eines europäischen Superstaats und für den Erhalt der nationalen Souveränität ausgefallen wäre.
Während die italienische Regierung versucht, die Ratifizierung des Lissaboner Vertrags noch im Juli durchzuziehen, meldet sich entschiedener Widerstand aus dem Umfeld von Premierminister Silvio Berlusconi. Die Tageszeitung Il Giornale, die Berlusconis Bruder gehört, veröffentlichte am 7. Juni einen Artikel der bekannten Anthropologin Ida Magli mit dem Titel „Warum Nein zum Lissaboner Vertrag? Er ist die absoluteste Form des Totalitarismus“.
Frau Magli, die schon gegen den Maastricht-Vertrag gekämpft hatte, schrieb:
„Mit der Ratifizierung des sogenannten Lissaboner Vertrages wird der Existenz der italienischen Nation definitiv ein Ende gesetzt. Und Schritt für Schritt auch den übrigen Nationen. Wir sollten nicht überrascht sein über das Schweigen zu diesem wichtigsten Akt seit der Gründung des italienischen Königreichs 1870. Es ist ein Schweigen, das nicht nur die Herrschenden wollen, die von Anfang an überzeugt waren, daß die Bürger im Dunklen gelassen werden sollten, sondern auch die objektiven Schwierigkeiten der Journalisten, Informationen und mehr noch Erklärungen für ein Projekt zu liefern, das jedem Konzept von ,Politik’ widerspricht.
Tatsächlich ist der Lissaboner Vertrag eine universelle ,Weltanschauung’, eine dogmatische Theologie mit ihren praktischen Anwendungen, die absoluteste Form des Totalitarismus, die je zur Abstimmung stand. Wie könnten Journalisten in wenigen Worten Millionen Menschen Kants Metaphysik vermitteln? Und doch steckt fast der gesamte Kant, einschließlich seines Vorschlags für einen immerwährenden Frieden, in dem EU-Projekt. Aber da ist genausoviel Rousseau, eine Menge Voltaire, eine Menge Marx und das, was Tremonti als den ,Marketismus’ bezeichnet, die Verabsolutierung des Marktes.
Die linguistische Verfälschung begleitete die europäische Operation von Anfang an. Was unterzeichnet wurde, ist überhaupt kein Vertrag, nicht einmal eine ,Verfassung’, wie man es nannte, bevor sie durch Volksabstimmungen zurückgewiesen wurde. Es ist die Proklamation einer universellen Theologie, die in all ihren Details begleitet ist von Zwangsinstrumenten gegen Völker und gegen einzelne Personen. Europa geht den ersten schicksalträchtigen Schritt zur Erreichung des geplanten Ziels: zur Weltregierung.“
Frau Magli zählt dann drei Hauptgründe für eine Ablehnung des Lissaboner Vertrages auf und schreibt dann: „Wir sind mit dem konfrontiert, was deutsche Dichter unter dem Nazismus als den ,allgemeinen Untergang des Geistes’ bezeichneten. Die Nation aus Angst vor dem Nationalismus zu begraben, bedeutet, wieder einen solchen Untergang des Geistes zu provozieren. Es bedeutet letztendlich, daß Hitler gewonnen hat.“
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