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Aus der Neuen Solidarität Nr. 15/2008 |
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Von Lyndon LaRouche
- Zweiter und letzter Teil -
Die folgende Schrift erschien im englischen Original am 22. Januar 2008.
Wie wichtig Leibniz’ Begriff der Dynamik ist, wird erst vollständig klar, wenn man die Bedeutung von Bernhard Riemanns Habilitationsschrift aus dem Jahr 1854 verstanden hat und ihn davon ausgehend betrachtet.19 Wie Riemann in den Eingangsparagraphen dieser Schrift betont, hat es in der Wissenschaft der Neuzeit niemals einen so unmittelbaren und systematischen Angriff auf die weitverbreitete üble Tradition der Euklidischen Geometrie gegeben, bevor er selbst eine moderne antieuklidische physikalische Geometrie einführte.20
Inzwischen haben die naturwissenschaftlichen Revolutionen von Wladimir Wernadskij und Albert Einstein die praktische Bedeutung von Riemanns revolutionären Errungenschaften dermaßen klar bestätigt, daß es kindisch wäre, nicht die Früchte von Riemanns Genie im Licht seiner beiden großartigen Nachfolger zu betrachten, wie ich es im folgenden noch einmal tue.21
Bevor wir uns direkt mit der Bedeutung des Werks von Wernadskij und Einstein beschäftigen, sind einige einleitende Bemerkungen erforderlich.
Mit der Entstehung der modernen Atom- und Kernphysik seit dem Wirken großer Pioniere wie Max Planck sind ernsthafte Denker gezwungen, die Realität, an die man sich in der akademischen Welt als experimentelle Grundlage für wissenschaftliche Forschung gewöhnt hatte, anhand der neuen Beweise über Art und Ausmaß dieser Realität gründlich zu überprüfen. In dieser Hinsicht haben die arglistigen, wüsten Angriffe der Anhänger des offen mystischen Ernst Mach und des im Grunde verbrecherischen Bertrand Russell auf Planck in Deutschland und Österreich in den Jahren 1914-17 die tiefere ontologische Bedeutung von Plancks Entdeckung immer weiter in den Hintergrund gedrängt. Der entscheidende Einwand, den diese zunehmend radikalen positivistischen Seilschaften gegen Plancks Werk und Anschauung erhoben, war eigentlich nichts neues: Die gleiche methodische Frage hatte sich schon mit Keplers Untersuchungen über die Harmonie des Sonnensystems gestellt, sie hatte sich nur vom Bereich der Astronomie in den der Mikrophysik verlagert.
Der Streitpunkt ist in beiden Fällen die Frage der Sinnesgewißheit.
Monate, bevor wir geboren werden (sozusagen „frisch aus der Verpackung kommen“), sind wir bereits mit Sinnesorganen ausgestattet, deren Funktion auf unsere biologische Organisation als Lebewesen abgestimmt ist. Wir kennen das Universum außerhalb von uns nicht wirklich durch eine wörtliche Ausdeutung dieser Wahrnehmungen; diese Erfahrungen liefern uns aber den praktischen Nachweis, daß wir nicht das Universum selbst direkt erfassen, sondern nur die Einwirkungen der Außenwelt auf unsere Sinnesorgane.
Die übliche naiv-fahrlässige Fehlinterpretation der Resultate dieser Verhältnisse wird zum geeigneten Gegenstand der Überprüfung durch unser kritisches Erkenntnisvermögen, sobald wir unsere Aufmerksamkeit von der lokalen Raumzeit, in der wir leben, auf die Phänomene verlagern, auf die man bei der Beschäftigung mit Extremen stößt: das Astronomische des antiken Seefahrers (das sehr Große, „Unendliche“) und das moderne Mikrophysikalische („das Infinitesimale“).22
So bevorzugen naive Leute, ob Wissenschaftler und andere, eher den Gesichtssinn (das Sehen), so wie auch der kindische Euklid diesen in der Geometrie als Apriori-Realität behandelte. Wenn man nun aber versucht, die vermeintliche Euklidische „Sinnesgewißheit“ mit dem physikalischen Aufbau unseres Sonnensystems in Einklang zu bringen, trifft man auf Phänomene, die man sonst vom Hörsinn her kennt („Harmonie“), wie Kepler betont. Keplers Entdeckung, eine quantitative Beschreibung eines allgemeinen Prinzips der Gravitation, beruhte auf seiner Erkenntnis dieser ironischen Beziehung zwischen den beiden Sinnen, die entsteht, wenn man versucht, das, woran man sich im engeren Umfeld gewöhnt hat, auf astronomische Größenverhältnisse auszudehnen. Max Planck konfrontierte uns mit einem ähnlichen Paradox hinsichtlich der Sinnestäuschungen bei Phänomenen aus dem subatomaren oder annähernd subatomaren Bereich.
Ein Beispiel für die einfältige Ansicht über den subatomaren Mikroraum ist das, was man mir an der Schule, Hochschule und anderswo eintrichtern wollte: Ich sollte an ein Universum glauben, das aus sonst leerem Raum besteht, in den irgendwer subatomare Teilchen und anderes Zeug hineingeworfen hatte. Diese armselige Sichtweise sollte man gründlichst überprüfen - ausgehend von der von Kepler entdeckten Meßweise des Prinzips astronomischer Gravitation. Beide Extreme, die der Astrophysik und die der Mikrophysik, sollte man so betrachten, wie es Riemann (schon) in seiner Habilitationsschrift angemahnt hatte. In beiden Fällen, dem Keplerschen Sonnensystem und dem implizit von Max Planck erforschten mikrophysikalischen Raum, werden die Vorstellungen bloßer Erweiterung der Sinneswahrnehmungen auf spezifisch Riemannsche Weise infrage gestellt.
Auf der Ebene des subatomaren Raums arbeiten wir nicht direkt mit unseren Sinnen, sondern mit Instrumenten, die wir gewöhnlich in der irrigen Annahme benutzen, sie seien nur Erweiterungen unserer Sinneswahrnehmung und man könne sie deshalb so behandeln, wie Euklid-Geschädigte mit den rohen Informationen einfacher Sinneswahrnehmung umgehen. Wenn wir an Keplers Argumente für die physikalische, funktionelle Ordnung des Sonnensystems zurückdenken und dazu Riemanns Warnung in bezug auf die relativen Extreme der Maßskala berücksichtigen, dann wird schnell ersichtlich, daß die wesentlichen mikrophysikalischen Argumente der Gegner Plancks und Einsteins - bzw. der statistische oder statistikähnliche Ersatz für diese Argumente - nur ein hysterischer Schwindel sind.
Die Lehre daraus ist: Die Tatsache, daß die berichteten Phänomene reale Beschreibungen realer Phänomene sind, heißt nicht, daß auch die Ursache dieser Phänomene richtig abgeleitet wurde. Die Tatsache, daß die Katze Cornflakes mit Zucker und Milch frißt, macht sie noch lange nicht zu einem Menschen.
Das eben beschriebene Paradox zwingt einen sorgfältigen Denker zu der Erkenntnis, daß unsere Sinne nur Instrumente sind, so wie wir Instrumente als Ersatz für Sinneswahrnehmung benutzen, um uns Vorgänge aus dem mikrophysikalischen Bereich vorzustellen. Dies sei uns eine Warnung, den gewohnten Glauben an die Zuverlässigkeit unserer Sinneswahrnehmung überhaupt aufzugeben: Man sollte die Idee, wirklich etwas zu wissen, von der Vorstellung trennen, die uns über unseren biologischen Sinnesapparat übermittelten Eindrücke wortwörtlich auszulegen. Wir müssen demnach unterscheiden zwischen der Frage nach der Gültigkeit von Wissen (ein Akt des menschlichen Geistes) und der qualitativ anderen Frage der Gültigkeit von Sinneserfahrungen als solchen (eine beobachtete Wirkung auf den biologischen Sinnesapparat).
Da der menschliche Geist den einfacheren Fähigkeiten der Tiere qualitativ überlegen ist, sollte eigentlich offensichtlich sein, daß wirksames menschliches Wissen nicht in den Sinneseigenschaften liegen kann, die auch den Tieren eigen sind.
Dies zwingt den Weisen, in dieser Frage noch einen Schritt weiter zu gehen. Es bedeutet nämlich, daß sich die Wissenschaft, wie sie den Pythagoräern und Platon in der Antike oder Kepler, Fermat, Leibniz und Riemann in der Neuzeit bekannt war, nicht nach statistischen Methoden definiert, sondern als qualitativ ontologische Unterscheidung zwischen universellen Naturprinzipien und der bloßen Erfahrung von Einzelereignissen. Das ist die gleiche qualitative Unterscheidung wie die beim Cusanus-Anhänger Kepler zwischen dem quasi analogen Prinzip, das die Planetenbahn bestimmt, und dem digitalen Nachverfolgen des Körpers, der dieser Umlaufbahn folgt. Dieser Unterschied ist der Grund, wenn Leonhard Eulers Argumente gegen Leibniz’ Infinitesimal eher den Eindruck eines albernen Wutausbruchs machen. Entgegen Eulers vorsätzlichem Schwindel ist das Leibniz-Bernouillische Infinitesimal der geringsten Wirkung keine statistische (d.h. digitale) Raummenge, sondern ein analoges Prinzip, das ontologisch als Ausdruck eines „unendlich“ universellen Prinzips der geringsten Wirkung existiert und wirkt.23
Der so ausgedrückte Unterschied ist der zwischen etwas, das real existiert (ein universelles physikalisches Prinzip, wie das von Kepler entdeckte Gravitationsprinzip), und einem örtlichen „Schatten“ seiner Wirkung (die beobachtete Wirkung dieses Prinzips, die sich andeutungsweise in der Größenordnung des kleinsten gewählten Abstands ausmachen läßt).
So gehen Narren, die sich von Euler u.a. täuschen lassen, unausgesprochen davon aus, daß die Gravitation ein Effekt ist, der (wie durch Induktion) durch die gemessene Bewegung zwischen zwei Punkten auf einer Strecke in der kartesischen (d.h. euklidischen) Raumzeit hervorgerufen wird - während sie tatsächlich als eine Wirkung in den universellen physikalischen Raum eingebettet ist, der somit als der Urheber des erkennbaren Phänomens der Gravitation anzusehen ist. Diese Torheit ist typisch für die (deduktiv-induktive) ideologische Weltsicht nicht nur von Aristoteles und Euklid, sondern auch der Anhänger des Sarpischen „liberalen“ Irrationalismus.
Diese Frage der Methode bringt uns direkt zu Aischylos’ Der gefesselte Prometheus zurück. In diesem Drama steht der Begriff des „Feuers“ für das Wissen des Menschen über wirksame universelle Naturprinzipien; diese werden sämtlich unter der Umschreibung eines Effekts, den man neben anderen zutreffenden Begriffen auch „Feuer“ nennt, zusammengefaßt. Er bezeichnet, ganz im Sinne von Heraklits berühmtem Aphorismus, stetige universelle Prinzipien universeller Wirkung, im Gegensatz zu diskreten Ereignissen - so wie dieser Unterschied auch in Platons Dialog Parmenides hervorgehoben wird. Der Schiffer antiker Seefahrerkulturen, der zum Himmel aufschaute, erkannte sich als unter dem Sternenuniversum lebenden Menschen und lernte so, unter diesem Gesetz, das ihn wie von oben zu seinem Ziel lenkte, als großer Steuermann die Meere und Ozeane zu befahren.
Doch wie die großen Steuermänner der fernen Vergangenheit entdeckten und in den von ihnen entwickelten Kalendern ausdrückten, war das beobachtete Sternenuniversum nicht fix, sondern veränderte sich ständig. Diese Vorstellung des Universums mußte die Wissenschaft übernehmen, da nur die Seefahrerkulturen solches Wissen über systemische Änderungen über entsprechend lange Zeiträume von vielen aufeinanderfolgenden Generationen entwickeln konnten. Untersuchungen der entsprechenden überlieferten Teile antiker Kalender zeigen uns dieses Wissen. Das ist das typische Kennzeichen der pythagoräischen Wissenschaft, genannt Sphärik.
Durch solche Entwicklungen innerhalb lange bestehender Seefahrerkulturen und die Übertragung ihrer Erfahrungen auf Ansiedlungen im Binnenland entstand die Vorstellung eines universellen Prinzips der Veränderung - das, was man heute unter Wissenschaft versteht. Die Metapher des „Feuers“ in Aischylos’ Gefesseltem Prometheus hat diese Bedeutung.
Das Universum wird von großen Prinzipien beherrscht, aber diese Prinzipien sind Kinder noch größerer Prinzipien universeller Veränderung. Und diese letztere, höhere Ordnung der Veränderung definiert den Begriff einer gültigen universellen Wissenschaft. Der Begriff eines Universums, das durch dieses höhere Prinzip universeller Veränderung ontologisch definiert ist, stellt gültige Wissenschaft dar, und das ist die Bedeutung des „Feuers“ in Der gefesselte Prometheus.
Einstein hat die zentrale Aussage, die sich aus diesen Überlegungen ergibt, so zusammengefaßt: Das Universum ist endlich, aber es begrenzt sich selbst. Diese von Einstein und anderen geäußerte Sichtweise bedeutet, daß das Universum hauptsächlich, ontologisch, aus universellen Prinzipien besteht, und daß einzelne Ereignisse Produkte örtlicher Wechselwirkungen dieser Prinzipien sind. Deshalb ist das Universum für Einstein endlich in dem Sinne, daß es sich durch seine Prinzipien selbst begrenzt; es hat die Maßeinheit „eins“ und ist deshalb, wegen dieser Selbstbegrenzung, endlich.
Die Angelegenheit ist mit dieser Argumentation Einsteins und anderer aber noch nicht zuende. Wir stoßen dabei gleich auf eine zweite wesentliche Annahme: die einfältige Annahme, das Universum wäre fix, unveränderlich, wenn es nicht von außen in Gang gehalten würde. Die gesamte „Geschichte“ des Sonnensystems widerspricht der Annahme vom „fixen Universum“. Eine sich schnell drehende, junge Sonne schleuderte etwas von ihrer Materie in eine sie umgebende Ebene aus Plasma, (nahezu sicher) polarisierte Sonnenstrahlung wirkte auf das Plasma ein und setzte so einen Fusionsprozeß in Gang, der die bekannten Standardelemente und -isotope des Mendelejewschen Periodensystems erzeugte. Produkte dieses Plasmas setzten sich auf gesetzmäßigen Planetenbahnen ab, und der so verteilte Stoff kondensierte entsprechend der Gaußschen Überlegungen hierzu zu Planeten und Monden.
Aus den gleichen allgemeinen Gründen wird das Wetter, das wir heute auf der Erde erleben, ganz erheblich von „kosmischen“ Strahlen aus dem Krebsnebel beeinflußt; diese Strahlen treten mit der Sonnenstrahlung in Wechselwirkung, und das bestimmt die Bedingungen, die wir auf der Erdoberfläche erleben.
Worauf will sich jemand berufen, der meint, dieses Universum bringe nichts ohne „äußeren“ Anstoß zustande? Eine ähnliche Kampfansage machte Philon (Judäus) von Alexandria den von ihm verachteten Aristotelikern zu Lebzeiten der ursprünglichen christlichen Apostel. Soll man annehmen, daß das Universum, nachdem der Schöpfer es erschaffen hatte, von einem anderen (vielleicht einem Gnostiker wie Satan) zur Belustigung Isaac Newtons immer mal wieder aufgezogen werden muß wie eine Uhr? Entgegen solchen möglichen Einwänden zeigt die Wirklichkeit, daß das Wesen der Bahnkurve des Universums seine Bewegung ist. Diese Art der Bewegung ist das Wesen des Seins in unserem Universum. Das heißt, die Gravitationswirkung, beispielsweise in der Sonnenumlaufbahn, ist Wirkung schlechthin - schöpferische Wirkung, die sich als Bewegung ausdrückt. Die Existenz dieser antientropischen Wirkung ist, was wir als das Infinitesimale in einer Kepler-Riemannschen Abbildung des Universums wahrnehmen.
Soweit mir bekannt ist, hat Louis Pasteur niemals behauptet, er hätte mit seinen Entdeckungen in der Chemie ein universelles Prinzip des Lebens entdeckt; dennoch bereiteten seine chemischen Entdeckungen den Boden für dieses bedeutende, scheinbar chemische Prinzip von Mendelejews Periodentafel, das Akademiemitglied W. I. Wernadskij in seinen späten Arbeiten als erster als definiert hat. Mit diesem Prinzip wird der absolute ontologische Unterschied zwischen den Produkten lebender Prozesse und den charakteristischen Produkten der Chemie nichtlebender Prozesse praktisch ausgedrückt.24
Der erste wesentliche Aspekt dieser Entdeckung Wernadskijs war sein Konzept der Biosphäre. Entscheidend war dabei seine besondere Aufmerksamkeit für die fossile „Geschichte“ der oberen Erdkruste, einschließlich des Charakters der Atmosphäre sowie der allgemeinen Entstehung des Wassers als Produkte der Biosphäre. Daß der Masseanteil lebender Prozesse und ihrer spezifischen Fossilien gegenüber dem der unbelebten Masse wuchs, zeigte in entscheidender Weise, daß das Leben dabei ist, unseren Planeten von einem unbelebten Zustand zunehmend in eine Masse lebender Prozesse zu verwandeln - bis zu einer vielleicht denkbaren, unbestimmten Grenze im Rahmen der Gegebenheiten unseres Planeten.25
Aber die Welt wird nicht nur immer mehr zu einer belebten Masse (Biosphäre), sondern auch zu einer anwachsenden Masse der Noosphäre, ein Produkt, das man ansonsten in lebenden Prozessen nicht findet. Eines der Merkmale der Noosphäre ist eine Zunahme der Bedeutung und der Masse derjenigen physischen Produkte, die durch eine willentliche Steigerung der schöpferischen Intelligenz des menschlichen Individuums entstehen.
In gewissem Sinne ist der Unterschied auf den ersten Blick ähnlich wie der zwischen lebenden und nichtlebenden Prozessen: Wenn Wernadskij den bestehenden Begriff Noosphäre aufgriff, um das besondere Konzept (noesis) seiner Entdeckung dieses Prinzips der Geochemie zu bezeichnen, war auch das eine Folge von Prinzipien jenseits der eigentlichen Chemie lebender Prozesse. Diese Prinzipien waren anders und lagen kategorisch außerhalb derjenigen, die er zur Definition des Gegenstands der Biosphäre verwendet hatte. In diesem Fall bestand sein Maßstab in der Zunahme der Masse von Produkten der schöpferisch-produktiven Tätigkeit des Menschen, verglichen mit dem Masseanteil des unbelebten Bereichs und der Biosphäre.
Um die Rolle der Noosphäre abzuschätzen, war es zumindest implizit notwendig, sowohl die potentielle relative Dichte der menschlichen Bevölkerung (im Unterschied zur tierischen Ökologie) als auch die Masse physischer Produkte pro Einheit dieser Bevölkerungsdichte zu messen. Dies äußert sich in dem, was ich mir als eine notwendige wissenschaftliche Revolution zu eigen gemacht habe; diese Revolution in der physischen Ökonomie von Nationen wurzelt weitgehend in den Entdeckungen Bernhard Riemanns.
Diese Messungen verdeutlichen praktisch zwei Punkte. Erstens, daß das Prinzip des Lebens sich vom Prinzip des Nichtlebenden unterscheidet, und zweitens, daß die Erkenntniskraft des menschlichen Geistes eine spezifische Kraft des entwickelten menschlichen Geistes widerspiegelt, die mit dem allgemeinen Begriff der harmonischen Resonanz verwandt ist, aber in den ableitbaren Hirnfunktionen aller niederen Lebensformen fehlt. Ich erkläre diesen Unterschied und seine Bedeutung.
Meine Modifikation der Auffassung von der Wirtschaftswissenschaft bei der Anwendung dieser Errungenschaften Wernadskijs besteht darin, daß ich - wie schon oben geschrieben - folgendes betone: Der Unterschied zwischen dem menschlichen Geist und sämtlichen niederen Lebensformen besteht darin, daß der menschliche Geist „abgestimmt“ ist auf einen physisch wirksamen Faktor „universeller Kreativität“, der allen niedrigeren Lebensformen fehlt, wobei auch die Menschenaffen in diese Kategorie unter dem Menschen fallen. Diese menschliche Fähigkeit ist allerdings unter den Individuen einer Gesellschaft übertragbar, als eine Seinsqualität, die im Prinzip historisch unsterblich ist, während der lebende menschliche Organismus an sich sterblich ist. Ich habe dieses Element der suprabiotischen Unsterblichkeit im Wesen von Mann und Frau, wie es im ersten Buch der Genesis dargestellt ist, schon oben angesprochen.26
Wie lang die Lebensdauer eines kreativen Individuums auch sein mag, es besteht kein Zweifel, daß der Nutzen wahrhaft schöpferischer Denker - wie Cusanus, Kepler, Fermat, Leibniz, Moses Mendelssohn, Friedrich Schiller, Lazare Carnot, die Humboldt-Brüder, Gauß, Riemann, Planck, Wernadskij, Einstein oder auch der Beiträge großer amerikanischer Präsidenten wie Abraham Lincoln und Franklin Roosevelt - für den Fortschritt dessen, was der Physikochemiker Wernadskij als Noosphäre definierte, viel weiter reicht als nur zu dem Punkt, wo ihre Lebenskerze bis zum Ende abgebrannt ist. Diese Individuen mögen sterben, aber ihre schöpferischen Werke selbst sind, wie die Gemälde Leonardo da Vincis, Raffael Sanzios und Rembrandts, nicht in der gleichen Weise vergänglich wie der menschliche Körper. Ein gültiges universelles Naturprinzip hat, einmal entdeckt, die Eigenschaften einer wahrscheinlich unsterblichen Wirkung.
Ein heute sehr selten gewordenes Buch, Moses Mendelssohn, sein Leben und seine Werke, von Dr. M. Kayserling (Hermann Mendelssohn, Leipzig, 1862), von dem ich seit einigen Jahren ein Exemplar besitze, ist voller sorgfältig gesammelter Einzelberichte, die in bündiger Zusammenfassung wichtige Einblicke in die Persönlichkeit Moses Mendelssohns und ihre historische Bedeutung bieten.
Ein bezeichnendes Beispiel für die selten gewürdigten, aber historisch wichtigen Leistungen seines Lebens ist die Passage eines Briefes, in der er seine bemerkenswerte „persönliche Bekanntschaft des großen Fürsten eines kleinen deutschen Landes, des Grafen Wilhelm von Schaumburg-Lippe“ beschreibt: „Wahrlich ein seltener Mann! Die feinste griechische Seele in einem rauhen westfälischen Körper.“ Wie aus anderen Dokumenten hervorgeht, entwarf Mendelssohn im Zuge der Beziehungen zwischen den beiden das Bildungsprogramm, das Graf Wilhelm, einer der brillantesten Militärstrategen seiner Zeit, zur Offiziersausbildung an seiner Kriegsschule verwendete, dessen bekanntester Schüler der große Scharnhorst gewesen ist.
Der deutsche Jude war, wie sich hier beispielhaft an Moses Mendelssohn zeigt, ein wesentlicher, integraler Bestandteil des Aufstiegs der deutschen Nationalkultur und im weiteren Sinne der europäischen Kultur. Somit war der Massenmord des vor allem von anglo-amerikanischen Finanziers eingesetzten Hitler-Regimes an den deutschen Juden, bis hin zur fast völligen Ausrottung, ein versuchter Mord an der deutschen Seele an sich. Denn es ist die Kultur, nicht die biologische „Rasse“, die eine wirkliche Nation funktionell definiert. Alle Menschen, die nicht wesentlich in ihrem biologischen Potential geschädigt sind, teilen das gleiche Prinzip menschlicher Kreativität. Die Unterschiede liegen in der Art der Kultur und dem Grad der Entwicklung des individuellen Potentials. Groß sind die Kulturen, die ihre eigenen reichen Entwicklungsquellen in sich aufnehmen, so wie die deutsche Kultur der erweiterten Familie Moses Mendelssohns sehr viel zu verdanken hat.
Um den wahren Moses Mendelssohn zu entdecken, der diesen bleibenden Beitrag leistete, müssen wir betrachten, was er als Erbe der Tradition des großen Moses von Ägypten und als bewußter geistiger Erbe von Moses Maimonides noch lange nach der letzten Krankheit und seinem Tode bewirkt hat. Wir müssen ihn historisch so einordnen, wenn wir ihn heute noch verstehen wollen.
Wir müssen ihn in seiner bedeutsamen Freundschaft zum klassischen Dramatiker Gotthold Lessing sehen, einem Schüler und Schützling des großen Mathematikers und klassischen Gelehrten Abraham Kästner (1719-1800). Kästner wiederum stammte aus Leibniz’ Heimatstadt Leipzig, in der später Lessing auch lebte; er wurde ungefähr drei Jahre nach dem Tod von Leibniz, einer der größten historischen Persönlichkeiten aus dieser Stadt, geboren, und wuchs dort auf, als Johann Sebastian Bach dort seine größten Werke schuf.
Neben anderen Beiträgen zur Zivilisation spielte Kästner als führender Kopf an der Göttinger Universität eine wesentliche Rolle bei der Unterstützung Benjamin Franklins und der Sache der amerikanischen Freiheit sowie als Förderer des Lebenswerks von Mendelssohns Freund Lessing.27
Das Wesen des Genies von Moses Mendelssohn, der als armer Jude in Dessau geboren wurde, zeigt sich am mächtigsten und bedeutendsten in seinem großartigsten Werk, seinem großen Platon-Kommentar über die Frage der Unsterblichkeit der menschlichen Seele, dem Phaidon. Dieses Werk ist für den Gedankengang in diesem Kapitel meines Aufsatzes besonders relevant.
Die Genies, die ich aufgezählt habe, verkörpern beispielhaft die wahrhafte Unsterblichkeit der menschlichen Persönlichkeit, die den Menschen vom Tier unterscheidet. Es zeigt das spezifisch Unsterbliche der Arbeit wirklich schöpferischer Persönlichkeiten. Das Unsterbliche am Menschen liegt in der immer wieder neuen geistigen Handlung, die wahrhaft schöpferische (d.h. antientropische) Beiträge zur Förderung und Verteidigung des Fortschritts der Menschheit erzeugt oder wiedererzeugt. Handeln an sich, wie es sich vielleicht in Form irgendeines Gegenstandes manifestiert, hat noch nicht diese Qualität der Unsterblichkeit: Kreativität arbeitet nie deduktiv-induktiv, sondern nur in analoger und ähnlicher Form - die Entdeckung eines universellen Naturprinzips sowie die Weiterentwicklung und Beförderung einer solcher Entdeckung sind typisch dafür. Die herausragende Entdeckung des Konzepts der universellen geringsten physikalischen Wirkung, die in der Zusammenarbeit zwischen Leibniz und Jean Bernoulli zustande kam, ist ein typisches Beispiel für eine solche schöpferische geistige Handlung, welche die reale, physische Welt des Menschen grundlegend verändert.
Wie Aischylos in seinem Gefesselten Prometheus darlegt, werden sonst normale menschliche Wesen durch Mittel wie die Verbreitung des Sophismus in Form der euklidischen Ideologie auf die Stufe von Tieren herabgesetzt. Das zeigen das üble Helotenwesen des Delphikultes in Lykurgs Sparta oder der Verfall durch den delphischen „Liberalismus“ (Sophismus) bis hin zum Peloponnesischen Krieg im Athen des Perikles. Mit dem Sophismus der Euklidischen Geometrie wurde die Geometrie der Pythagoräer und der übrigen Kreise Platons so „umformuliert“, daß sie praktisch ihrer Seele beraubt und in ein totes, deduktives „Ding“ von Sophisten verwandelt wurde.
Individuelle Kreativität des Menschen ist die geistige Kraft, deren Arbeit den wahrhaft freien Menschen von einem pflichterfüllten oder auch aufsässigen Sklaven unterscheidet. Diese Kreativität ist das, was von den Verstorbenen weiterlebt, weil es den kreativen Fortschritt der menschlichen Gattung als ganzer fördert - in einer Weise, wie dies in der Unterscheidung des Menschen vom Tier in der biblischen Schöpfungsgeschichte angedeutet wird.
Da das Tierische an jedem von uns irgendwann wie ein Hund sterben muß, liegt die Natur des in sich freien Menschen in dem, was die Apostel Johannes und Paulus als Agape28 bezeichneten, oder wie es im Westfälischen Friedensvertrag heißt, im „Wohl des anderen“. Unsere wahre Unsterblichkeit lebt in dem, was - so definiert - wahrhaft menschlich ist, was wir anderen und der Gesellschaft insgesamt weitergeben. Wer auf diese Weise gibt, wird den erstrebten Sinn seines sterblichen Daseins nicht verlieren. So triumphieren wir über den Tod des sterblichen Körpers, in dem unser wahres Selbst einen Augenblick lang in der Geschichte lebt. Ein solches Verhalten dient im wesentlichen dazu, unsere eigenen menschlichen Fähigkeiten und die anderer zu entwickeln; aber gerade deshalb müssen wir für den einzelnen und die Gesellschaft allgemein Lebensbedingungen schaffen, die eine Umsetzung schöpferischer Ideen ermöglichen.
Wir sollten die leidige Gewohnheit aufgeben, die Bedürfnisse der Gesellschaft und die Bedürfnisse anderer Männer und Frauen zu betrachten, wie man vielleicht die Bedürfnisse eines Haustieres betrachtet. Wir müssen die anderen vor allem als Menschen betrachten und darüber nachdenken, was erforderlich ist, damit diese wesentliche Qualität des Menschen die kreative Absicht, die ihre höhere Natur auszeichnet, erfüllen kann.
Wie jeder gute Wissenschaftler sollten wir erkennen, daß es in unserem Universum keinen leeren Raum gibt. Eine physikalische Lehre, die physikalische Raumzeit als Frage der Fernwirkung behandelt - etwa zwischen Objekten, die als Singularitäten im Raum auftreten -, ist ein Irrglaube, gefangen in einem Fehler, der durch unbewiesene, willkürliche Grundannahmen entsteht. Wer diese Annahme a priori verteidigt, ohne experimentellen Beweis, so wie es die Anhänger der Sophisten Euklid und Newton tun, der verfällt den Illusionen, die mit einer bestimmten Vorstellung eines unendlichen Raumes einhergehen. Deshalb ist die Vorstellung eines irgendwie linear „unendlich“ ausgedehnten Raumes im Grunde kindisch absurd.
Das Universum, so groß es uns erscheinen mag, ist begrenzt, und zwar in genau der Weise, wie Einstein argumentierte und wie ich es bereits weiter oben zusammengefaßt habe.
Wenn jemand diesen weitverbreiteten Fehler der Sinnesgewißheit korrigiert, wird es für jene, die fest daran glauben, schmerzlich oder noch schlimmer; es ist für sie wie ein kindischer Zauber à la „Harry Potter“, Unfug nach dem Vorbild der Luzifer-Anbetung Aleister Crowleys, des Kumpans von H.G. Wells und Bertrand Russell.
Wegen dieser falschen Überzeugungen herrscht bei einer Vielzahl der derzeit verbreiteten Meinungen auf der Welt ein gewisser Wahnsinn. Wenn man das genauer untersucht, stellt man fest, daß diese Ansichten in der verbreiteten Gewohnheit wurzeln, daß eine menschliche Gesellschaft sich selbst lediglich als eine Abart des Tierreichs sieht. Die modernen Gesellschaften haben sich kulturell zwar über die primitivsten Ansichten dieser Art erhoben, aber die Grundannahmen, die mit einem mehr oder weniger blinden Vertrauen in die Sinnesgewißheit einhergehen, sind bei den meisten Mitgliedern dieser Gesellschaften immer noch ein beherrschender Faktor.
Solche verbreiteten Annahmen hindern die meisten von uns heute immer noch daran, die Realität der tatsächlich existierenden menschlichen Seele zu erkennen; das zeigen z.B. die Auswüchse blinder Habgier. Viele Menschen tun so, als seien sie religiös, sind es aber nur in dem Sinne, wie ein Spieler oft mit religiöser Inbrunst auf sein Glück am Spieltisch oder an der Börse hofft. Daß man als Mensch sicher die Unsterblichkeit erlangen kann, entgeht ihnen. Ihre Schwierigkeit in dieser Hinsicht ist letztendlich ontologisch; sie haben unser Universum nicht so akzeptiert, wie es tatsächlich existiert, und haben sich in ihrer kindischen Phantasie einen Glauben an ein nichtexistentes Universum zurecht gelegt, in dem, wie Philo über Aristoteles schrieb, die Idee eines wirkenden Schöpfers praktisch keinen Platz hat.
Der Ursprung konzeptioneller Probleme wie dieser ist ein hartnäckiges, im Grunde tierisches Festhalten an der Sinnesgewißheit - wie bei dem berühmten Prediger, der wie der Hahn im Hühnerhof mit den Damen, die er hinter sein Zelt lockte, mehr neue Seelen zeugte, als er mit seinen Predigten im Gottesdienst drinnen vor der Liederlichkeit rettete.
In allen Fällen, wovon ich hier nur ein paar Beispiele anführte, nimmt der entscheidende Fehler ähnliche Formen an wie bei dem modernen Helotentum vieler Bürger in den heutigen Kulturen. Sie klammern sich an jene Illusion der Sinnesgewißheit, die von der praktisch anerkannten „Weltkirche“ des anglo-holländisch-liberalen oder ähnlichen Hedonismus als Glauben verbreitet wird.
Um uns von dieser geistigen Krankheit zu befreien, müssen wir erkennen, daß unser wahres Selbst darin liegt, das praktisch umzusetzen, was im Westfälischen Frieden „das Wohl der anderen“ Völker und Nationen hieß. Die gegenseitige Verpflichtung darauf unter jeweils souveränen Völkerkulturen muß wieder zur Grundlage der Beziehungen in einem System von vollkommen souveränen Nationalstaaten werden. Wenn wir unser Eigeninteresse in einer solchen Lebensweise ausmachen, haben wir einen Schritt der gesamten Menschheit in Richtung auf eine bewußte Teilhabe an der wahren Unsterblichkeit der menschlichen Seele getan. Wie die Apostel Johannes und Paulus dies für die Jünger Jesu Christi verdeutlichten, ist dies im wesentlichen alles, was von uns als Individuen im Leben verlangt wird.
„Globalisierung“, wie diese am 19. Januar (2008) bei einer Veranstaltung in Los Angeles von Judith Rodin von der Rockefeller-Stiftung zusammen mit den Gouverneuren Arnold Schwarzenegger und Ed Rendell und dem New Yorker Bürgermeister Bloomberg ausgegeben wurde, ist ein Plan für einen neuen Imperialismus, einen neuen „Turmbau zu Babel“. Dieses imperiale System wurde von demselben Felix Rohatyn entworfen, der zusammen mit George Shultz eine schmutzige Rolle bei dem faschistischen Pinochet-Regime in Chile spielte, und eine solche Fortführung des Pinochet-Projektes von Shultz und Rohatyn in anderer Form würde heute die Eckpfeiler jeden zivilisierten menschlichen Lebens unter den Völkern dieses Planeten vernichten.
Genesis 1 besagt, daß das Universum geschaffen wurde, und daß Mann und Frau im Abbild des Schöpfers geschaffen wurden. Es ist interessant und paradox, daß praktisch kaum einer der bekennenden Christen, die diese Sätze gerne zitieren, heute in der Praxis glaubt, daß Mann und Frau tatsächlich nach dem Bilde des Schöpfers geschaffen wurden. Noch schlimmer, die meisten von ihnen glauben - zumindest implizit, was ihr praktisches Handeln angeht -, der Schöpfer sei nur eine Art „Monarch“, eine Art Grundstückseigentümer, der irgendwie eine supergalaktische Immobilie erworben hat, die Ihm zufällig als Territorium zugewiesen wurde, über das Er nun allenfalls herrschen darf.
Für solche Leute ist Genesis 1 lediglich eine Geschichte, die nur deshalb erzählt wird, weil jedes Buch einen Anfang haben muß.
Wenn der Gott der biblischen Schöpfungsgeschichte tatsächlich der Schöpfer des Universums wäre, und Mann und Frau nach Gottes Ebenbild geschaffen wurden und in seinem Namen ähnliche Aufträge zu erfüllen hätten, warum denken dann heute Männer und Frauen, sogar Wissenschaftler, so über das Universum, wie sie es tun? Warum denken sie so, wie es Philo Aristoteles zu Recht vorwarf? Warum verbreiten sie ein schlechtes Märchen, wofür Philo den Aristoteles verantwortlich machte - das dumme Märchen, der Schöpfer des Universums habe sich angeblich selbst handlungsunfähig gemacht, indem er ein abgeschlossenes, vollkommenes System schuf?
Es ist etwas schrecklich falsch an der Art, wie solche Leute denken! Tatsächlich ist dieses Denken nicht nur falsch, sondern in seinen Konsequenzen bösartig, so wie der Kult von Delphi die Glaubenssätze des Apollo-Dionysos-Kultes verbreitete.
Die Hauptursache dieses verbreiteten Irrtums ist die Tradition, für die der Gefesselte Prometheus steht: daß die große Mehrheit der Menschheit wie Sklaven in geistigen Ketten gehalten wird, weil Zeus den sterblichen Menschen die Kenntnis des „Feuers“ nicht erlauben will. Die Frage, die Philo im Protest gegen das gnostisch-aristotelische Dogma seiner Zeit aufwarf, ist typisch: In der aristotelischen Rechtsauffassung ist es nach dem „universellen Entropiegesetz“ sogar dem Schöpfergott verboten, weiter auf das Universum einzuwirken, nachdem er es einmal geschaffen hat (so daß Satan praktisch freie Hand hat - vielleicht in der Maske, wie Dostojewskij nach dem Vorbild des Tomas de Torquemada den „Großinquisitor“ dargestellt hat).
Das auf Zeus zurückreichende Dogma schreibt im Grunde ein fixes „Nullwachstums“-Universum vor, wie das des verlogenen Sophisten Claudius Ptolemäus im Römischen Reich - ein Universum, in dem es keine Entwicklung mehr gibt und das wie die Uhr des närrischen Isaac Newton oder von Prinz Charles und seines Lakaien Al Gore immer wieder abläuft und immer wieder aufgezogen werden muß.
Das wirkliche Universum ist im Gegensatz dazu ein endloser Schöpfungsprozeß, eine Schöpfung, die sich in Form unaufhörlicher Bewegung und Entwicklung - antientropischer Entwicklung - äußert. Gott, der Schöpfer, lebt also noch, befreit aus dem delphischen Gefängnis des Aristoteles, und führt die Schöpfung fort!
Die Bemerkungen, mit denen ich dieses kurze Schlußkapitel eröffnet habe, beruhen auf wohldefinierten, experimentellen universellen Naturprinzipien. Keplers ureigenste, einzigartige Gründung der modernen Astrophysik ist hierfür beispielhaft. Ebenso beispielhaft ist Leibniz’ Infinitesimal, im Gegensatz zu dem Betrug, den berühmte Leute wie Descartes, Newton, de Moivre, D’Alembert, Euler, Lagrange, Laplace, Cauchy, Clausius, Grassmann u.a. gemeinsam begangen haben, ganz zu schweigen von erbärmlichen Figuren wie Mach, Bertrand Russell u.a.
Ganz einfach ausgedrückt ist das Infinitesimal des Leibnizschen Kalküls, das Leibniz aus Keplers Entdeckung der universellen Gravitation ableitete, ein ontologisches Infinitesimal, wie ich oben dargestellt habe, und kein aristotelisches, euklidisches oder kartesisches. Es ist Ausdruck der Aufwärtsbewegung physischer Entwicklung, Ausdruck eines antientropischen Universalprinzips. Die Eigenschaft als Infinitesimal entsteht (im Falle von Keplers Entdeckung) aus dem relativen Ausmaß der Wirksamkeit dieses Prinzips, indem es nämlich relativ unbegrenzt universell und wirksam ist (das aktual Unendliche - unendlich nicht hinsichtlich seines unmittelbaren Ist-Zustands, sondern hinsichtlich seiner künftigen Entwicklung).
In diesem Sinne ist das Universum in der ständigen Veränderung seiner Bewegung unendlich dicht. Der Nachweis, daß eine solche Änderung auch mit einer qualitativen Entwicklung im Universum verbunden ist, definiert das Wirkprinzip des Universums als antientropisch. Ein „Entropiegesetz“ ist schlicht und einfach ein Betrug.
Das besondere Kennzeichen unserer Gattung sind die schöpferischen Geisteskräfte des Einzelnen, wie sie in der Fähigkeit der menschlichen Gattung zum Ausdruck kommen, ihre potentielle relative Bevölkerungsdichte mit Hilfe neu entdeckter universeller Naturprinzipien oder deren Entsprechung willentlich zu erhöhen - eine Fähigkeit, welche unter allen Gattungen allein dem Menschen vorbehalten ist.
Diese und ähnliche Überlegungen definieren die eigentliche Natur des individuellen Menschen (wenn die Kenntnis des „Feuers“ nicht unterdrückt wird). Wenn er sich seiner Natur gemäß verhält, wirkt der Mensch nicht von unten, sondern antientropisch auf das Universum ein und erweist sich so als das Ebenbild des Schöpfers, von dem diese Kräfte des Menschen wie ein Geschenk herstammen. Diese Qualität des Handelns und Wirkens, welche die Menschheit in dieser ihr zugewiesenen Weise ausdrückt, ist ihrem Wesen nach antientropisch.
Mann und Frau bringen ihre Ebenbildlichkeit zum Schöpfer zum Ausdruck, indem sie wie Werkzeuge des Schöpfers als höhere Macht auf das Universum wirken. Dabei wächst die Macht der Menschheit in dem Maße, wie ihr Wissen über das Universum und über sich selbst voranschreitet. Wir sind keine Untertanen des Universums, sondern teilen mit dem Schöpfer die Pflichten, die uns die Entwicklung der Menschheit unausgesprochen auferlegt.
Anstatt also Opfer unseres ignoranten blinden Vertrauens auf die wortwörtliche Interpretation unserer Sinneseindrücke zu sein, sollte wir diese Sinne und die Hilfsmittel, die wir zu solchen Zwecken erfinden, nur als Werkzeuge behandeln, nicht als Wissen. Unsere vorrangige Aufgabe muß in unserer Natur als Menschen liegen - wie der Gärtner, der nicht nur an den bestehenden Garten denkt, sondern auch an Neuerungen zu seiner Verbesserung. Ebenbild des Schöpfers zu sein, heißt schöpfen.
Anmerkungen
19. a.a.O.
20. Bereits Nikolaus von Kues, Kepler, Fermat und Leibniz hatten implizit die euklidische Tradition abgelehnt, aber da sie unter der ständigen tödlichen Bedrohung durch die Inquisition standen, konnten sie das nur auf Umwegen tun. Die mittelalterliche Inquisition haßte den Schwindler Galileo, aber das war Ausdruck eines innervenezianischen Streits um die politische und finanzielle Macht zwischen den alten venezianischen Parteigängern des Claudius Ptolemäus und der „neuen venezianischen Partei“ des Paolo Sarpi.
21. Siehe auch Lyndon LaRouche, „Vernadsky & Dirichlet’s Principle“, EIR, 3. Juni 2005. In deutscher Übersetzung: „Wernadskij und das Dirichlet-Prinzip“, in Fusion 2/2005.
22. a.a.O.
23. Jene, die sich in dieser Frage mit mir streiten wollen, verweise ich zu ihrer Information auf die blamable Anregung de Moivres an D’Alembert, daß man die mathematischen „Infinitesimale“, auf die sie bei algebraischen Funktionen mit kubischen und biquadratischen Wurzeln gestoßen waren, einfach beliebig weglassen sollte, weil sie nicht in ihre Beweisführung paßten und allein schon deshalb als offensichtlich nur „imaginäre“ Ablenkungen zu betrachten seien - als wäre daran irgendein bösartiger Betrüger schuld, der unter den Dielenbrettern der Realität sein Unwesen treibt. Die Absurdität solcher Lügen und Irrationalität hielt jedoch Euler, Lagrange, Cauchy, Clausius, Grassmann etc. nicht davon ab, sich die gleiche Anmaßung gegenüber der modernen Naturwissenschaft und der Sache der Vernunft herauszunehmen. Siehe auch Sky Shields, „What exactly, Is a Human Being? Analog, Digital, and Transcendental“, in EIR, 4. Januar 2008. (Eine deutsche Übersetzung dieses Aufsatzes wird demnächst in der Neuen Solidarität erscheinen.)
24. Das Konzept einer Biosphäre oder Noosphäre wurde noch nirgendwo kompetent vorgeschlagen oder wissenschaftlich vorgestellt außer vom russischen Akademiemitglied W.I. Wernadskij im Rückgriff auf experimentelle Prinzipien der physikalischen Chemie.
25. Lyndon LaRouche, a.a.O.
26. Eine sich hieraus ergebende Frage ist, inwieweit der intellektuell entwickelte und aktive Geist einen inneren relativen Vorteilsfaktor zur Begünstigung einer langen Lebensdauer spielt. Selbst ein bösartiger, aber aktiver Geist wie der von Bertrand Russell legt eine solche Frage nahe. Jedenfalls lautet der Schluß - ob sich dies als Spekulation erweist oder nicht -, daß man lieber so ernsthaft wie möglich denken sollte, als hinge das eigene Leben davon ab, unabhängig vom Ergebnis im jeweiligen Einzelfall. Ist es nicht ohnehin weiser, mit der höchsten Seinsform in unserem Universum „gleichgestimmt” zu sein?
27. Kästner machte es sich schon früh in seinem Leben zur Aufgabe, das Werk der beiden größten Bürger seiner Heimatstadt Leipzig, Gottfried Leibniz und Johann Sebastian Bach, zu verteidigen. Natürlich hatte keiner aus der degenerierten Truppe namens „Romantiker“ im 18. und frühen 19. Jahrhundert wirklich eine Ahnung über das Werk von Leibniz, Bach oder Lessing.
28. Siehe, Paulus, 1. Brief an die Korinther 13.
Lesen Sie hierzu bitte auch: Meine frühe Begegnung mit Leibniz: Über die Monadologie - Erster Teil - Neue Solidarität Nr. 14/2008 Die heutige Krise ist die Gelegenheit, die Welt wieder zur Vernunft zu bringen - Neue Solidarität Nr. 9/2008 Schriften von Lyndon H. LaRouche 1981-2006 - Internetseite des Schiller-Instituts Was Lyndon LaRouche wirklich sagt - Internetseite der Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo) Internetseite des LaRouche-Aktionskomitees - in englischer Sprache |
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