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Aus der Neuen Solidarität Nr. 12-13/2008 |
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In seinem neuen Buch, das schon jetzt den Wahlkampf in Italien polarisiert, fordert Giulio Tremonti, der bei einem Sieg des konservativen Bündnisses bei der Wahl am 13.-14. April wahrscheinlich wieder Finanzminister werden wird, eine „neue Bretton-Woods-Vereinbarung zwischen den großen Nationen“, um das gescheiterte System der Globalisierung abzulösen. Der Zusammenbruch dieses Systems ist Hauptthema des Buches mit dem Titel Angst und Hoffnung. Im letzten Kapitel legt der gegenwärtige Vizepräsident der Abgeordnetenkammer einen „Hypothesenkatalog“ vor, in dem Leser, die mit LaRouches Vorschlägen vertraut sind, vieles wiedererkennen werden.
Tremonti schreibt: „Vorschlag für ein neues Bretton Woods, das große Abkommen, das 1944 die Grundlage schuf, auf der die Welt sich in der Nachkriegsära entfaltete. Das neue Bretton Woods sollte über die Währungsbeziehungen hinaus erweitert werden auf Umweltschutz, soziale Klauseln, die Rolle der Aufsicht über Finanzmärkte und den Impuls für die Wirtschaft, den Regierungen individuell oder gemeinsam bieten können und müssen.“
Ein weiterer Punkt in seiner Aufzählung ist die Kernkraft: „Ein europäischer Plan für nukleare Entwicklung. 1957 wurde der andere Vertrag von Rom unterzeichnet, der weitsichtige und bisher unvollendete Euratom-Vertrag. Er muß nur wiederbelebt werden.“
Tremonti präsentierte sein Buch am 6. März zur Hauptsendezeit in der beliebten Talkshow Annozero im Fernsehsender Rai Due. Tremonti sagte, die sich verschlechternde Situation der Arbeitnehmer in Italien und der Einbruch der Kaufkraft seien eine Folge des „Wahnsinns der Globalisierung“. In Hochschulen, Zeitungen und Politik „laufen alle möglichen Verrückten herum und sagen Ihnen: ,Wir brauchen mehr Wettbewerb!’ Konkurrenzdenken, Geschwindigkeit, gewaltsame Prozesse... Niemand behauptet, daß wir eine Traumwelt brauchen, aber vielleicht eine Welt, wie sie vorher war, weniger gedrängt und fanatisiert vom Dogma des Marktes. Angst: Alte Menschen, die in den Supermarkt gehen und kein Geld haben, haben Angst. Wir leben in einer verkehrten Welt, wo das Überflüssige weniger kostet als das Lebensnotwendige. Man kann für 20 Dollar nach London fliegen, aber 20 Euro reichen nicht, um sich das tägliche Essen im Supermarkt zu kaufen. Darum geht es.“
Tremonti benutzt ein Wortspiel auf das Wort „Illuminati“, das auf italienisch sowohl „aufgeklärt“ als auch „Freimaurer“ bedeutet:
„Seit dem Ende der 90er Jahre bis in dieses Jahrhundert hat eine Gruppe von Illuminati - zu Staatsmännern mutierte Bankiers, zu Wirtschaftsdenkern mutierte Politiker, falsche Propheten - die Vorzüge... des 21. Jahrhunderts gepredigt: Globalisierung, das Füllhorn, das Goldene Zeitalter. Alles beruhte vor allem auf der Teilung der Welt in zwei Teile: ein Asien, das Billigwaren produziert, und den Westen, Amerika, das diese Waren auf Kredit importiert. Alles wurde von Techno-Finanz [„innovative Finanzprodukte“] gestützt, wo die Banken nicht mehr die bewährte Arbeit tun, die Banken immer getan haben: Geld auf Vertrauensbasis sammeln und auf eigenes Risiko verleihen. Sie bündelten Produkte und verkauften sie an Dritte.
Alle diese Illuminati, die die Wirtschaft steuern, haben die gegenwärtige Krise - die da ist und schlimmer wird, sie ist ansteckend - mit alten Instrumenten verwaltet, mit Zinssenkungen, mit Liquiditätsspritzen. Der Organismus reagiert nicht: im Gegenteil, es wird schlimmer.
Wir denken, daß die Katastrophe global ist, Politik kann nicht mehr Lokalpolitik sein. Wir denken an ein neues Abkommen zwischen großen Ländern der Welt. Bretton Woods war 1944, jetzt muß man es wieder so machen. Wir brauchen ein neues Bretton Woods.“
Tremontis Buch und Aussagen polarisieren die Debatte vor der Parlamentswahl. Die Freihandelsfraktion hat in Person des Ökonomen Francesco Giavezzi eingeräumt, daß man sie nicht ignorieren kann, da Tremonti wahrscheinlich der nächste Finanz- und Wirtschaftsminister wird. In einem Kommentar im Corriere della Sera vom 8. März schreibt Giavezzi, Tremontis Ideen seien falsch, weil sie den freien Markt verletzten, aber er erhalte Unterstützung von Fraktionen in allen Parteien und den Gewerkschaften. Ein anderer Freimarkt-Ökonom, Alberto Mingardi vom Bruno-Leoni-Institut, das der Mont-Pèlerin-Gesellschaft nahesteht, klagte in der Tageszeitung Il Riformista, Tremonti betreibe einen „sozialen Konservativismus“, wie ihn Charles de Gaulle in Europa verkörpert habe.
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