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Aus der Neuen Solidarität Nr. 12-13/2008

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Neue Hürden für Lissabon-Vertrag

Das befürchtete „Nein“ der Iren in ihrem Referendum im Juni ist nicht die einzige Sorge der Eurokraten: es zeigt sich nämlich, daß die Unterstützung für den Lissabon-Vertrag an etlichen Stellen Europas nicht gesichert ist.

Die neueste unangenehme Überraschung ist die Ankündigung der polnischen Oppositionspartei PiS am 12. März, sie werde den Vertrag nicht ratifizieren. Parteichef Jaroslaw Kaczynski sagte: „Der Vertrag darf nicht auf eine Art und Weise interpretiert werden, die gegen die Souveränität einzelner Staaten verstößt.“ Polen werde niemals seine Souveränität preisgeben, und das mindeste, was man fordern müsse, sei eine Präambel zum Vertrag, in der ausdrücklich festgelegt ist, daß die Unabhängigkeit Polens gewahrt wird.

Wenn man sich erinnert, daß die polnische Zustimmung zum Vertrag ja von der vorigen Regierung ebenjenes Jaroslaw Kaczynski ausgehandelt wurde, und daß die PiS im polnischen Nationalparlament Ende Februar sogar für das besondere Gesetz zur Ratifizierung gestimmt hat, dann ist die Verweigerung der Ratifizierung nur wenig später schon eine erstaunliche Angelegenheit.

Der Bruder des PiS-Vorsitzenden, Lech Kaczynski, ist ja immer noch polnischer Staatspräsident, und bei ihm sind sich ohnehin viele nicht sicher, ob er den ratifizierten Vertrag am Ende überhaupt unterzeichnen würde. Insofern war es etwas unbedacht, daß Parlamentspräsident Bronislaw Koromowski Jaroslaw Kaczynski antwortete, die Regierung werde nichts am Vertrag korrigieren, und wenn er und seine PiS den Vertrag nicht wollten, dann solle „er doch zu seinem Bruder, dem Präsidenten gehen und ihn bitten, die Ratifizierung nicht zu unterschreiben“.

Zunächst einmal ist die Ratifizierung im Parlament aber einfach deshalb blockiert, weil die Vertragsbefürworter nicht mehr die dazu erforderliche Zweidrittelmehrheit haben - es müßten denn 14 PiS-Abgeordnete zur anderen Seite desertieren, was wohl kaum zu erwarten ist.

Probleme könnten selbst in Deutschland auftauchen, obwohl es dort nach der ersten Lesung des Ratifizierungspakets im Bundestag am 13. März eher so scheint, als gäbe es keine mehr. Bund und Länder haben sich ganz schnell auf die Beilegung von Meinungsverschiedenheiten über Klagerechte und dergleichen geeinigt, und der Bundestag soll jetzt bis zum 25. April den Lissabon-Vertrag ratifizierten. Der Bundesrat plant, erst am 23. Mai zu ratifizieren.

Ob im April oder Mai - in jedem Fall wird es zwei Klagen beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe geben, eine von der Partei „Die Linke“, die andere vom CSU-Abgeordneten Peter Gauweiler. Deren Klageankündigung erhält mittlerweile auch außerhalb Deutschlands zunehmend Beachtung. So schrieb das European Forum am 12. März: „Der rechtliche Einspruch gegen den Vertrag, vorgebracht durch die drittgrößte politische Partei Deutschlands [Die Linke ist gemeint], könnte die Ratifizierung aufhalten, was Befürchtungen mehrt, der größte Mitgliedsstaat der EU könnte den Vertrag nicht zeitgerecht unterzeichnen, um ihn am 1. Januar 2009 in Kraft treten zu lassen.“

Der Artikel zitierte auch Nigel Farage, den Vorsitzenden der Unabhängigen Demokraten Englands und selbst ein Gegner des Vertrages, mit den Worten: „Es ist keine Übertreibung zu sagen, daß dies (die Klagen) dafür sorgen kann, daß der Vertrag auf dem Weg steckenbleibt.“

In Dublin griff die Vertragsgegnerin und Europaabgeordnete Marylou MacDonald von der Partei Sinn Fein Anfang der Woche die irische Regierung wegen „des Mangels an Informationen für die Wähler nur wenige Monate vor dem Referendum“ an. „Letzte Woche nahm ich Kontakt mit dem Informationsamt der Regierung auf, um eine Kopie des Lissaboner Vertrages für einen Wähler zu bekommen. Sie hatten keine Kopie des Lissabon-Vertrages, keine Endfassung des Textes und auch keine Kopie der Verträge, auf die sich der Lissaboner Vertrag bezieht. Sinn Fein hat einen alternativen Leitfaden zum Lissabon-Vertrag veröffentlicht. Unsere Mitglieder verteilen derzeit 500.000 Informationsblätter im ganzen Land. Und es ist klar, daß die Regierung kein Interesse an einer Debatte über die Fakten hat.“

Der Druck, den Sinn Fein und andere Organisationen aufbauen, bewegte den irischen Premierminister Bertie Ahern nach wochenlangem Hinhalten immerhin jetzt dazu, die zweite Juniwoche als Zeitpunkt für das Referendum vorzuschlagen. Das wahrscheinliche Datum ist der 12. Juni, berichten irische Zeitungen.

rap