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Aus der Neuen Solidarität Nr. 10/2008 |
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Die Große Koalition will den Lissabon-Vertrag durchwinken, da sie sich ihrer Position so sicher ist, daß weder die Bevölkerung noch Kritiker dazu angehört werden sollen. Sie könnte jedoch noch vor dem geplanten Ratifizierungsdatum am 23. Mai selbst in Bedrängnis kommen. Da Merkels CDU bei den Landtagswahlen in Hessen und jetzt bei den Bürgerschaftswahlen in Hamburg schwere Verluste einstecken mußte, ist ihr bevorzugtes Koalitionsmodell mit den Liberalen abhanden gekommen - in Hamburg schaffte es die FDP noch nicht einmal in die Bürgerschaft. Das andere Lager, die SPD und die Grünen, hat in beiden Bundesländern ebenfalls keine Mehrheit, so daß die Sozialdemokraten in Hessen bereits mit der Linkspartei liebäugeln, um sich eine Mehrheit zu beschaffen. Aber da die CDU in Hamburg gleichzeitig mit den Grünen flirtet, könnte es dadurch auch für die SPD in Hessen schwierig werden, da sie dort ebenfalls auf die grüne Unterstützung angewiesen ist.
Es brauen sich also in der Großen Koalition in Berlin viele Probleme zusammen, so daß die Regierungsbildung in Hessen das Ende von Merkels Kanzlerschaft einläuten könnte - noch bevor die Ratifizierung des Lissabon-Vertrags im Mai in die letzte Runde geht.
Die Allianz „Ich will ein Referendum“, zu der einige prominente Mitglieder der Labour Party, der Konservativen, Liberaldemokraten, der Grünen, der Schottischen Nationalpartei und zahlreicher anderer Organisationen gehören, hat am 27. Februar zehn regionale Abstimmungen in ganz Großbritannien abhalten, um „die Möglichkeiten für ein nationales Referendum auszuloten.“ Am gleichen Tag fand in London eine Kundgebung für ein Referendum statt, an dem sich über 2000 Menschen beteiligten. Gleichzeitig wurde im Parlament massive Lobbyarbeit betrieben, um die Abgeordneten dem „Druck der Wähler“ auszusetzen, wie es in einer Ankündigung der Initiative heißt.
Seltsam mutet die Teilnahme der Liberaldemokraten an, da sie eigentlich für die Europäische Union sind. In einem Leitartikel des Guardian rief Nick Clegg, der Vorsitzende der Liberaldemokratischen Partei, zu einem „Referendum über die größeren Zusammenhänge“ auf, womit er meinte, daß das Thema des Lissaboner Vertrags im Kontext eines landesweiten Referendums über die gesamte Reihe von Verträgen seit dem Maastrichter Vertrag von 1992 gesehen werden sollte, was seiner Ansicht nach zeigen würde, daß die Briten „für Europa“ seien. Es sieht jedoch so aus, als könnte Cleggs Plan einen Bumerang-Effekt haben, da die Stimmung zunehmend gegen den Lissabon-Vertrag in England wendet.
Die Sozialistische Partei der Niederlande hat dem Parlament einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der vorsieht, daß die Bevölkerung in einem Referendum über den EU-Vertrag abstimmen soll. Die SP ist aus der alten maoistischen Kommunistischen Partei hervorgegangen, die einige ihrer Altlasten abgeworfen hat und heute mit 25 Sitzen die drittstärkste Partei im niederländischen Parlament ist. Bereits 2005 hatte die SP eine wichtige Rolle beim holländischen „Nein“ gegen die EU-Verfassung gespielt.
Wie es aus SP-Kreisen heißt, rechnet man sich eine gute Chance aus, daß die Vorlage angenommen wird. Zustimmung gibt es bereits von fünf kleineren Parteien, darunter die Grünen und die D66, die zwar den EU-Vertrag unterstützen, aber eine Volksabstimmung für erforderlich halten. Zusätzlich hoffen die Sozialisten auf eine Spaltung der sozialdemokratischen Arbeiter-Partei, die bei den letzten Wahlen für ein Referendum eintrat, diese Forderung aber offiziell fallen ließ, nachdem sie mit den Christdemokraten in die Regierungskoalition eingetreten war. Bereits sieben Abgeordnete der Arbeiter-Partei wollen für das Gesetz stimmen.
Nach der niederländischen Verfassung darf eine so bedeutende Vorlage wie der EU-Vertrag erst nach einer „zweiten Lesung“ angenommen werden, und vor dieser zweiten Lesung müssen Wahlen stattgefunden haben, bei denen der Vertrag das Hauptthema ist. 2005 hatte man sich für ein Referendum entschieden, da erst kurz zuvor das Parlament neu gewählt worden war. Da die letzten allgemeinen Wahlen 2007 stattfanden, soll die Regierung auch jetzt wieder eine Volksabstimmung organisieren.
Der von den griechischen Zyprern am 24. Februar zum neuen Präsidenten gewählte Reformkommunist Demetris Christofias wird sich für die Wiedervereinigung mit dem türkischen Teil der Insel einsetzen, und seine Wahl könnte sich auch auf den Ratifizierungsprozeß des Lissaboner Vertrages auswirken, da sich seine Partei, die kommunistische AKEL, offen dagegen ausgesprochen hat. Die Pro-Lissabon-Parteien wollten ihn in dieser Frage bereits in Verlegenheit bringen, als sie von Christofias wissen wollten, ob er als Präsident gegen den EU-Vertrag stimmen werde. Er weigerte sich, auf diese Frage zu antworten, und verwies die Frage an den Generalsekretär seiner Partei.
eir
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