[an error occurred while processing this directive]
Aktuelle Ausgabe Diese Ausgabe Gehe zu ... Kernthemen Suchen Abonnieren Leserforum

Artikel als
=eMail=
weiterleiten

Aus der Neuen Solidarität Nr. 49/2007

Jetzt
Archiv-CD
bestellen!

  Produktive Kreditschöpfung 
  Neues Bretton Woods
  Glass-Steagall
  Physische Wirtschaft
  Kernenergie
  Eurasische Landbrücke
  Transrapid
  Inflation
  Terror - Cui bono?
  Südwestasienkrise
  11. September und danach
  Letzte Woche
  Aktuelle Ausgabe
  Ausgabe Nr. ...
  Heureka!
  Das Beste von Eulenspiegel
  Erziehungs-Reihe
  PC-Spiele & Gewalt 
  Diskussionsforum
  Wirtschaftsgrafiken
  Animierte Grafiken

Noosphäre contra Blogosphäre

Von Matthew Ogden

In seinem Buch „Von kommenden Tagen“ hat H.G. Wells schon vor mehr als einem halben Jahrhundert die geistige Gleichschaltung der Menschheit, die heute im Internet unternommen wird, angeregt und vorgeplant.

Im Internet, dem „freien Fluß der Informationen“, wird heute allgemein der unaufhaltsame Siegeszug der Globalisierung propagiert. Grenzen werden beseitigt, Nationen verschwinden, jede Form von Souveränität schwindet - die Globalisierung ist der thermodynamische „Hitzetod“ der menschlichen Kultur, der Verfall menschlicher Sprache zu einem undifferenzierten weltweiten „Blabla“. Manche haben in diesem Zusammenhang von einer „Blogo-Sphäre“ gesprochen, der Ausdruck „Blabla-Sphäre“ ist aber wohl treffender.

Narren nennen das Demokratie. H.G. Wells nannte es den Weltstaat.

Stiller Faschismus

In seinem Buch Von kommenden Tagen (The Shape of Things To Come, The Ultimate Revolution) erzählt H.G. Wells seinen Traum einer zukünftigen Weltregierung, einer vollendeten Globalisierung, verwaltet von einer „selbsternannten und sich selbst disziplinierenden“ Elite, die aus den Trümmern eines zusammengebrochenen Weltwährungssystems und Jahrzehnten weltweiter Kriege und Seuchen hervorgegangen ist. Der Weltstaat wäre der Form nach faschistisch, aber Mussolini und Hitler (den er „eine der unglaublichsten Figuren der ganzen Geschichte“ nennt) waren Wells zu „nationalistisch“ und zu „oberflächlich“. Für ihn waren die beiden nur die „ersten Kristallisierungen“ eines größeren, universellen Faschismus.1

Den Schlüssel zur Errichtung des Weltstaats bildet bei ihm vielmehr der stille Faschismus der Gruppenpsychologie, der „Psychologie der Assoziation“, deren fiktiver Pionier bei Wells ein Sozialpsychologe namens Gustave de Windt ist.2 „Die Revolution des modernen Staats war in erster Linie erzieherisch und dann erst politisch; sie griff tiefer als jede vorangegangene Revolution.“ (Alle Zitate sind eigene Übersetzungen aus dem englischen Original, Red..) Wells’ Rezept für einen erfolgreichen Faschismus hängt von der Fähigkeit ab, Gruppenpsychologie zu kontrollieren. „Während der Weltrat für den vereinigten Weltstaat kämpfte, ihn leitete und weiter vorantrieb, schuf die Erziehungskontrolle eine neue Menschheit.“ Die Kontrolle durch diese Sozialpsychologen verdrängt schließlich die Macht des Weltrats und wird zu „Literatur, Philosophie und allgemeinem Denken der Welt... die denkende Seele im Körper der Rasse.“

Im Kapitel „Die Ausbildung der Menschheit“ stellt Wells fest, eines der undurchsichtigsten und umstrittensten Erziehungsprobleme - für jede aufstrebende Weltoligarchie wie seine britische Fabian Society - sei „die Variabilität des geistigen Widerstands gegen die Richtung und die von der Natur gesetzten Grenzen des Ideals einer lenkbaren, kooperativen Welt“. Wells’ Held ist in dieser Hinsicht sein Sozialpsychologe de Windt, der, „beschäftigt mit seinen gigantischen Plänen zur Organisation der Welt, den ,Widerspruchsgeist’ als etwas rein Böses behandelt, ein Laster, vor dem man sich hüten müsse, eine Störung in der Maschinerie, die man so weit wie möglich ausmerzen muß.“

Wikipedia und Wells’ ‚Weltgehirn’

In diesem Licht betrachtet, wäre es töricht, Wells’ Roman nur für ein exzentrisches Hirngespinst zu halten. Vier Jahre nach dessen Veröffentlichung schrieb er einen nicht fiktiven Aufsatz mit dem Titel „World Brain: The Idea of a Permanent World Encyclopedia“, (Weltgehirn: die Idee einer ständigen Weltenzyklopädie), der 1937 veröffentlicht wurde. Es war ein Plädoyer für eine Super-Universität, die die Universitäten der alten Art ersetzen sollte. Wells kündigte an: „Denker des vorausschauenden Typs... beginnen zu verstehen, daß die hoffnungsvollste Linie zur Entwicklung unserer rassischen Intelligenz eher darin liegt, ein Weltorgan zur Sammlung, Indexierung, Zusammenfassung und Veröffentlichung von Wissen aufzubauen, als darin, noch weiter am höchst konservativen und resistenten herkömmlichen Universitätssystem herumzudoktern... Diese Neuerer... planen ein vereintes, wenn nicht sogar zentralisiertes Weltorgan, um den Geist der Welt zusammenzuziehen.“

Er meinte weiter: „Eine große Anzahl Arbeiter wären ständig damit befaßt, diesen Index des menschlichen Wissens zu vervollständigen und auf dem neuesten Stand zu halten“, wodurch „dieses neue Großhirn für die ganze Menschheit“ geschaffen wird, ein „vollständiges planetarisches Gedächtnis... Ruhig und vernünftig wird diese neue Enzyklopädie dazu beitragen, die archaischen Mißklänge [von Kriegen und Auseinandersetzungen] zu mindern, indem sie ihnen beständig, aber unmerklich ihre gegenwärtige Grundlage entzieht. Eine gemeinsame Ideologie auf der Basis dieser ,Permanenten Weltenzyklopädie’ ist ein mögliches Mittel, für einige sogar das einzige Mittel, menschliche Konflikte in Einheit aufzulösen.“

Diese Idee vom Pax Mundi (Weltfrieden) teilte Wells mit seinen gleichgesinnten Freunden der Londoner Fabian Society. 3 Der nominelle Friedensapostel Bertrand Russell wollte diesen Frieden durch die Drohung mit nuklearer Vernichtung durchsetzen. Er rief dazu auf, Rußland atomar zu bombardieren, um so der Welt zu demonstrieren, was der englischsprechende Weltstaat4 einem Volk antut, das sich zu sehr für die Entwicklung seiner Nation begeistert. In Von kommenden Tagen ist Wells’ Weltrat auch die Luft-Diktatur, die systematisch abtrünnige Regionen angreift, um mit aus der vorrevolutionären Zeit übrig gebliebenen Widerstandsnestern aufzuräumen.

Heute drohen Vizepräsident Dick Cheney und die von ihm beherrschte US-Luftwaffe mit einem Luftkrieg gegen den Iran, der praktisch unausweichlich einen weltweiten Kleinkrieg nach sich zöge und die Vereinigten Staaten als lebensfähige, republikanisch verfaßte Nation zerstören würde. Deshalb ist es wichtig, daran zu erinnern, was die amerikanische Republik zu der Zeit, als Wells dies schrieb, darstellte. So versteht man besser, warum die britische Fabianerfraktion unaufhörlich daran arbeitete, einen Diktator wie Dick Cheney an die Macht zu bringen und die Gemüter des amerikanischen Volks, besonders der Jugend, zu korrumpieren. Man denke z.B. an das gute Verhältnis des beliebten Präsidenten Franklin Roosevelt zum damaligen Schah von Persien, Mohammed Reza Pahlevi, wie dies in dem Buch As He Saw It von Roosevelts Sohn Elliot über die Rolle seines Vaters bei den Konferenzen der Alliierten im Zweiten Weltkrieg beschrieben ist.

Roosevelts Mission war gegen britischen Kolonialismus und Globalisierung auf wirtschaftliche Entwicklung ausgerichtet. Doch nach Roosevelts Tod wurden die USA in verräterische britische imperiale Machenschaften hineingezogen. Truman ließ die Atombombe abwerfen, um die furchterregende „Luftdiktatur“ zu demonstrieren, und in den seither vergangenen Jahrzehnten ist Roosevelts Mission fast ganz in Vergessenheit geraten. Heute ist es nicht mehr die ausdrückliche Mission der Vereinigten Staaten, die Souveränität und wirtschaftliche Entwicklung von Nationen zu verteidigen, im Gegenteil. Das Internet wird benutzt, um die Globalisierung als „unausweichlich“ zu beschreiben und still und heimlich eine „gemeinsame Ideologie“ durchzusetzen. Eine vormals dynamische und vielfältige Welt, wo menschlicher Fortschritt im Dialog zwischen verschiedenen, jeweils einzigartigen Nationen und Kulturen entsteht, verwandelt sich in eine gleichgeschaltete, konsenssüchtige „Blabla-Sphäre“.

Wernadskijs Noosphäre

Um einen Kontrapunkt zu setzen, wollen wir die Ideen einer anderen Persönlichkeit aus Franklin Roosevelts Zeit betrachten - die Ideen Wladimir Wernadskijs. Was H.G. Wells und die britische Elite an Roosevelt und seiner Wirtschaftspolitik des Amerikanischen Systems haßten, das hat Wernadskij geliebt und als lebende Demonstration seiner eigenen Entdeckung der Ordnung des Universums erkannt. In Roosevelts Absicht, z.B. im Iran oder in Marokko die Wüsten zum Blühen zu bringen, indem man wie mit der Tennessee Valley Authority die Infrastruktur aufbaut, sah Wernadskij die Ankunft eines neuen geologischen Zeitalters: das Zeitalter der Noosphäre, in dem die schöpferische Kraft des menschlichen Geistes, die kein anderes Lebewesen hat, den Planeten grundlegend verändert und verbessert. Die Werke des Menschen würden mehr und mehr die Biosphäre beherrschen und so eine planetarische Noosphäre schaffen. Wernadskij drückte es so aus: „Der Mensch wird vor unseren Augen zu einer mächtigen und immer weiter wachsenden geologischen Kraft“.5

Die Noosphäre ist nicht irgendein mystisches „lebendes Gewebe kollektiver Bewußtheit“, wie ignorante Schwätzer uns aus dem Innern der Blogosphäre vorkauen, sie ist nicht die „Seele Gaias“. Sie ist auch nicht das, was Sir Julian Huxley,6 ein enger Mitarbeiter von H.G. Wells, „als globale Vereinigung menschlicher Bewußtheit“ beschreibt, ein „organisiertes Gedankennetz, ein mit hoher Spannung arbeitendes noetisches System, ein Teil der evolutionären Maschine, die in der Lage ist, eine hohe psychosoziale Energie hervorzubringen“. Huxleys Bild der Noosphäre als „Zusammenschluß der gesamten menschlichen Spezies zu einer einzigen, unter sich denkenden Gruppe, die auf einem einzigen, sich selbst entwickelnden Gedankenrahmen beruht“, ist nichts anderes als Wells’ „Weltgehirn“ der Blogosphäre. Dieser Unfug, auf den nur Leute kommen können, die durch zuviel „cyberdelische Erfahrungen“ in der virtuellen Realität gehirngewaschen sind, soll Wernadskijs wissenschaftlichen Optimismus ins Gegenteil verkehren,7 seine Wissenschaft verdunkeln und ihn arglistig für den antiwissenschaftlichen Kult Grüner Kybernetik von Leuten wie Al Gore und seinen Gesinnungsfreunden der pro-britischen Erben von H.G. Wells und Bertrand Russell vereinnahmen.

Wernadskijs Noosphäre hat eine bio-geo-chemische Existenz, die physikalisch meßbar ist. Als empirischen Beweis für das Entstehen der Noosphäre zitiert er die vom Menschen erfundene Produktion „zahlloser, neu geschaffener... chemischer Verbindungen auf unserem Planeten“, wie z.B. reines Aluminium, „das bisher auf unserem Planeten nicht vorkam, nun aber in jeder gewünschten Menge produziert wird“. Dieses wachsende Verhältnis von materiellen Produkten der menschlichen Denktätigkeit zu Produkten lebender (biologischer) Prozesse ist der Maßstab für das anwachsende Verhältnis der Noosphäre gegenüber der Biosphäre. „Das Angesicht unseres Planeten, die Biosphäre, wird durch den Menschen chemisch sehr stark verändert... Die Lufthülle des Landes und all seine natürlichen Wasservorkommen werden sowohl physikalisch als auch chemisch durch den Menschen verändert... Außerdem werden vom Menschen neue Pflanzenarten und Tierrassen geschaffen. Märchenträume scheinen in Zukunft Wirklichkeit werden zu können - wie der Mensch, der über die Grenzen seines Planeten in den Kosmos hinausgreift...“

Wernadskijs Biogeochemie wird in den Händen des Ökonomen Lyndon LaRouche zur Wissenschaft der physischen Wirtschaft. Beide sind meßbar. Erstere chemisch, letztere mit den Begriffen des relativen Bevölkerungsdichtepotentials: „Der Mensch, als Teil der Noosphäre, definiert sich durch die souveränen Kräfte des individuellen menschlichen Geistes, die durch die Arbeit an ‚Entdeckungen’ Faktoren der Veränderung hervorbringen... Es ist die Frucht dieser Kraft, die bei Tieren nicht vorhanden ist, die die menschliche Gattung in die Lage versetzt hat, ein Bevölkerungsniveau von ungefähr sechseinhalb Milliarden Menschen zu erreichen“.8

Das sollte der Zustand der Menschheit sein. Wenn unsere Generation die amerikanische Republik vor dem britischen Empire retten, das Vermächtnis Franklin Roosevelts wiederbeleben und den Menschen als noetisches Wesen jenseits der Grenzen der Erde in den kosmischen Raum bringen soll, dann wird es Zeit, daß sie sich von der als „Cyberspace“ bekannten Erkrankung heilt und aus dem Kult der Blogosphäre aussteigt.


Anmerkungen

1. Wells’ Faschismus ist von einer sehr raffinierten Art, dem britischen Empire wirklich würdig, wie er in einer öffentlichen Rede in Oxford 1932, ein Jahr vor dem Erscheinen von Von kommenden Tagen, zugab: „Ich will liberale Fascisti, aufgeklärte Nazis.“

2. Wells’ Romanfigur Gustave de Windt ist eindeutig den „Doktoren“ des Tavistock Instituts nachempfunden (s. Dave Christie, „INSNA: Handmaidens of British Colonialism“).

3. Um seine Leser davon zu überzeugen, daß ihnen nur die Wahl bleibt, vor seiner Pax Mundi zu kapitulieren, beschreibt Wells in Von kommenden Tagen in Übelkeit erregender Länge die furchterregenden inhumanen Schrecken des Ersten Weltkriegs.

4. Es war tatsächlich Teil von Wells’ „Endgültiger Revolution“, alle Landessprachen abzuschaffen; übrig bleiben sollte bloß ein „Basic English“ mit einem Vokabular von nur 850 Wörtern, das in seiner Zukunftswelt zur „Weltsprache“ werden sollte: „Das heute gesprochene und geschriebene Englisch ist sehr verschieden von dem Englisch Shakespeares, Addisons, Bunyans oder Shaws: es hat die letzten Spuren solch archaischer Ausschmückungen wie den Konjunktiv abgeworfen.“

5. W.I. Wernadskij, „Some Words About the Noosphere,” in: 21st Century Science & Technology, Vol. 18, No. 1, Spring 2005.

6. Neben seiner Rolle als Mitautor einiger von Wells herausgegebener Bücher war Sir Julian Huxley Leiter der London Eugenics Society und Gründer der World Wildlife Foundation. Wells schreibt in Von kommenden Tagen über seine Unterstützung für Huxleys „umweltfreundliche“, Hitler nachempfundene Eugenik: „Es liegt nicht im Interesse der Menschheit, vermeidbare geistige Krüppel und Behinderte zu dulden.“ Um die Weltbevölkerung bei zwei Milliarden zu „stabilisieren“ „wurde die schmerzfreie Zerstörung von Mißgeburten und gräßlicher und erbärmlicher Behinderungen legalisiert, ebenso die Sterilisierung verschiedener Typen, die ansonsten unerwünschte Neigungen weitervererbt hätten“.

7. Genauso wie Norbert Wiener Gottfried Wilhelm Leibniz pervertiert, wenn er ihn als den „Schutzheiligen der Kybernetik“ bezeichnet (s. Christie, Fußnote 1.)

8. Siehe den Artikel von Lyndon LaRouche in dieser Ausgabe.

 

Aktuelle Ausgabe Diese Ausgabe Kernthemen Suchen Abonnieren Leserforum