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Aus der Neuen Solidarität Nr. 46/2007 |
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In der Schlußphase des kurzen Parlamentswahlkampfs in Dänemark stießen die vier unabhängigen Kandidaten der Freunde des Schiller-Instituts auf großes Interesse der Medien.
Während des letzten Wahlkampfs bei der Kommunalwahl Ende 2005 hatte ein Boulevardblatt das Plakat des Kopenhagener Bürgermeisterkandidaten und Vorsitzenden des dänischen Schiller-Instituts, Tom Gillesberg, noch als das „schlechteste Wahlplakat“ bezeichnet. Diesmal erklärten die Kulturkritiker der Kopenhagener Tageszeitung Politiken sein Plakat zum besten des diesjährigen Wahlkampfs zur Parlamentswahl am 13. November.
Am 2. November brachte die Zeitung auf der zweiten Seite ihres Kulturteils unter der Überschrift „Wahl eines Posters“ ein halbseitiges Foto des Plakats. Gillesbergs Wahlplakat wurde ausgewählt, weil es anders ist als alle anderen, und mehr als nur das Bild des Kandidaten, sein Name und der Name der Partei abgebildet ist.
Politiken schreibt: „Die Kunst, ein Wahlplakat zu machen, Teil 1: Es ist nicht alltäglich, daß ein Vorsitzender des Schiller-Instituts bei den dänischen Parlamentswahlen antritt. Ebensowenig alltäglich ist es, daß ein Kandidat zu einer Wahl auf der Grundlage der Tatsache antritt, daß die Finanzwelt von den Spekulanten gesäubert werden soll, daß der nationale Infrastrukturhaushalt verdreifacht werden sollte und daß eine schnelle Magnetbahn gebaut werden sollte, die Menschen in 25 Minuten von Kopenhagen nach Århus und weiter nach Aalborg bringen würde. Vielleicht brauchen wir einen Finanzkrach, bevor diese Botschaft verstanden wird. Und das ist auf diesem Plakat, wo der Kandidat Tom Gillesberg vor dem Hintergrund der Brücke über den Großen Belt und einer Magnetbahn abgebildet ist. Und das ist nicht als Witz gemeint. Wenn man als Unabhängiger kandidiert, dann kann man schon mehr tun, als nur den obersten Knopf des Hemdes aufzuknöpfen und nett zu lächeln. Es wäre eine Übertreibung zu sagen, Wahlplakate hätten im Durchschnitt viel mit Kunst zu tun. Aber es kann eine Kunst sein, sie so zu machen, daß sie nicht in der Masse untergehen. Das mit Tom Gillesberg im Vordergrund hat etwas Einzigartiges, soweit das bei Postern geht.“
Lustigerweise erklärte die Internetausgabe des Massenblatts Ekstrabladet, das im gleichen Verlag wie Politiken erscheint, das Plakat von Feride Istogu Gillesberg, die in den Kopenhagener Vororten kandidiert, zum „rätselhaftesten Wahlplakat“. Auch hier ist das Plakat - das bis auf das Foto der Kandidatin mit Tom Gillesbergs identisch ist - abgebildet, der Link zu ihrer Homepage angegeben und ihr Plakat in satirischen Worten beschrieben. Rund 6000 Leser folgten dem Link und informierten sich über die Kandidatin.
In Århus gab der Kandidat Janus Kramer Möller der regionalen Vertretung des größten nationalen Radiosenders ein Live-Interview, anschließend sang der Chor der LYM einige ihrer speziell getexteten Wahllieder, worüber der Moderator ganz begeistert war. Das Regionalstudio des zweiten nationalen Fernsehsenders für Nordjütland, TV2 Nord, machte ein Interview mit dem Kandidaten Hans Schultz. Die Moderatorin sagte zunächst, Schultz kandidiere als Unabhängiger und setze sich für eine neue Weltwirtschaftsordnung, die Magnetbahn und die Brücke über das Kattegat nach Kopenhagen ein. Darauf folgten Aufnahmen des LYM-Chores. Dann wurde Schultz im Gespräch mit Passanten gezeigt, als er sagte, der Dollar stürze ab und man brauche die Magnetbahn nach Aalborg. Der Sender zeigte Schultz’ Wahlplakat und kommentierte, Schultz sei nicht wirklich unabhängig, denn er arbeite mit dem Schiller-Institut zusammen. Dieses sei davon überzeugt, daß mit der Weltwirtschaft wirklich etwas falsch laufe, und daß es ein neues, nicht von den Spekulanten beherrschtes Finanzsystem geben sollte. Die Finanzkrise sei so groß und so umfassend, daß man nicht ernsthaft sei, wenn man das im Wahlkampf nicht anspreche. „Schultz und dem Schiller-Institut zufolge wird die Welt bald einen Finanzkrach erleben, und Dänemark sollte sich darauf vorbereiten, indem es bessere Infrastruktur aufbaut. Die Antwort ist eine Brücke über das Kattegat mit einer Magnetbahn, damit man „in nur 43 Minuten“ von Aalborg nach Kopenhagen gelangt - diese letzten Worte „43 Minuten“ ergänzte dabei der Chor der LYM. Die Internetseite des Senders brachte einen kurzen Bericht ähnlichen Inhalts.
Auch das Regionalstudio für Ostjütland TV2 Oesterjylland berichtete über den Kandidaten Janus Kramer Möller, allerdings nicht über sein Programm.
Am Abend des 7. November berichtete TV2 dann in seiner nationalen Nachrichtensendung über die insgesamt 13 unabhängigen Kandidaten (von denen vier Mitglieder des Schiller-Instituts sind), die „fast alles tun, um Aufmerksamkeit zu erlangen, obwohl ihre Chancen praktisch gleich null sind“. Einer der beiden Kandidaten, die sie als Beispiel ausgewählt hatten, war Tom Gillesberg, der sich in dem Kurzbericht vorstellt: „Ich bin Tom Gillesberg und kandidiere für das Parlament mit dem Slogan: ,Nach dem Finanzkrach, Magnetbahn über das Kattegat’. Der Sender erwähnte, daß Gillesberg vor einem baldigen großen Finanzkrach warnt, und zeigte Bilder der Wahlbroschüre und des Wahlplakats. Auch der Radiosender der Kopenhagener Universität machte am 7. November ein 40minütiges Interview mit Gillesberg, in dem er sich vor allem an die Jugend wendete.
Die Internetausgabe der Zeitung Berlingske Tidende brachte am gleichen Tag als dritte der drei großen Zeitungen Kopenhagens ein Interview mit Gillesberg unter dem Titel „Was haben Sie vor, Tom Gillesberg?“ In seiner Antwort auf die Frage, warum Dänemark als nächsten großen Sprung ein nationales Magnetbahnnetz bauen sollte, antwortet Gillesberg: „Das wird für Dänemark von größerer Bedeutung sein als die Brücke über den Großen Belt. Plötzlich hätten alle großen Städte untereinander eine Reisezeit von weniger als einer Stunde - angefangen mit Århus-Kopenhagen in 25 Minuten.“ Zum Finanzkrach sagte er: „Ein Finanzkrach ist so sicher wie das Amen in der Kirche, wir wissen nur noch nicht, wie lange der Priester predigen wird, bevor der Krach kommt. Deshalb müssen wir uns darauf vorbereiten, wie wir die Wirtschaft vor der schädlichen Wirkung des internationalen Finanzkrachs, der schon im Gang ist, schützen können.“
Auf die Frage, wie er entscheiden würde, wenn er zwischen dem Sozialstaat, der Magnetbahn oder Steuersenkungen wählen müßte, antwortete Gillesberg: „Wir sollten in die Zukunft - einschließlich der Magnetbahn - investieren, weil das die Produktivität der dänischen Wirtschaft steigert, damit wir uns den Sozialstaat und künftig sogar Steuersenkungen leisten können, wenn wir das wollen. Aber das wichtigste ist, daß wir ein gutes Leben führen, und nicht, jetzt viel Geld in der Hand zu haben.“
Auch die Kopenhagener Werbeblätter Urban und Metro Express erwähnten Gillesbergs Kandidatur.
mr/alh
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