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Aus der Neuen Solidarität Nr. 4/2007 |
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Viele Franzosen sehnen sich nach einer grundsätzlichen politischen Veränderung. Der Präsidentschaftskandidat Jacques Cheminade will ihnen Hoffnung geben.
„Jetzt bin ich wieder in Form“, sagte kürzlich ein französischer Bürgermeister am Ende seines Treffens mit Jacques Cheminade. Während die Präsidentschaftswahl näherrückt, weckt LaRouches französischer Verbündeter zusammen mit der LaRouche-Jugendbewegung (LYM) die schlummernde Seele der Nation, damit sie ihre verkommene Elite abschüttelt und ihre republikanische Tradition wiedergewinnt.
Dazu muß man sich zunächst klarmachen, was das besondere an dieser Wahl ist. Frankreich ist das einzige europäische Land mit einem echten Präsidialsystem. Dank de Gaulles Erbe der Fünften Republik können die Franzosen ihren Präsidenten (in zwei Wahlgängen) direkt wählen, er wird also nicht durch Kompromisse im Parlament bestimmt.
Es kann aber nicht jeder x-beliebige für das Präsidentenamt kandidieren. Man muß eine Bedingung erfüllen: Jeder Kandidat braucht 500 schriftliche Unterstützungserklärungen gewählter Volksvertreter (Bürgermeister, Regionalräte, Abgeordnete u.ä.). Jeder Kandidat, der dies erfüllt, erhält vom Staat 150 000 Euro, damit er Wahlzettel, eine programmatische Erklärung, die an alle Haushalte im Land verschickt wird, und Plakate drucken kann. Die Medien sind gesetzlich verpflichtet, über alle offiziellen Kandidaten gleichberechtigt zu berichten, über die „kleinen“ genauso wie die der „großen Parteiapparate“. So gesehen ist es die einzige faire Wahl in Frankreich.
De Gaulles Vorstellungen über Staatsführung wurden in den 14 Jahren unter Präsident Mitterrand hinweggefegt. Die Zahl der vorgeschriebenen Unterstützungserklärungen wurde nach und nach von 100 auf 500 erhöht, um die politische Debatte in eine künstliche Auseinandersetzung zwischen „rechts“ und „links“ zu kanalisieren. Doch 1995 gelang es Jacques Cheminade, sich über diese oligarchischen Regeln hinwegzusetzen und mit mehr als 500 Unterstützungserklärungen von Bürgermeistern in die Präsidentschaftswahl hineinzuschmuggeln; er durfte dann in allen landesweiten Fernsehsendern zwei Stunden lang zur besten Sendezeit auftreten. Das Establishment war völlig überrascht und geriet in Panik; es versuchte, ihn in den finanziellen Ruin zu treiben und mit Verleumdungen mundtot zu machen.
2002 setzten Cheminades Gegner alles daran, daß er nicht noch einmal kandidieren würde. Er hatte weit mehr als 500 vorläufige Zusagen von Bürgermeistern, aber kurz vor Ablauf der Frist kam eine bösartige Verleumdungskampagne, die so viele von ihnen abschreckte, daß am Ende nur noch 406 übrigblieben. In der zweiten Wahlrunde standen völlig überraschend Jacques Chirac (Mitte-rechts) und der rechtsradikale Jean Marie Le Pen einander gegenüber. Das war für unzählige Franzosen eine schlimme kalte Dusche. Die Medien gaben die Schuld erst den „kleinen Kandidaten, die den Sozialisten Stimmen wegnahmen“, und dann den Bürgermeistern, die für diese Kandidaten unterschrieben hatten. Gegen viele Bürgermeister gab es eine Hexenjagd der örtlichen Medien, manchmal sogar von ihren Wählern. Das schlimmste war, daß Orte, deren Bürgermeister solche Kandidaten unterstützt hatten (die Regierung veröffentlichte ihre Namen), plötzlich ihre üblichen Subventionen nicht mehr erhielten. Deshalb lehnen heute drei von fünf Bürgermeistern, die wir anrufen, grundsätzlich jede Unterstützungsunterschrift ab, egal für welchen Kandidaten.
Die Lage in Frankreich ist heute ziemlich tragisch. In den letzten fünf Jahren haben die Menschen die Folgen der seit den 80er Jahren betriebenen Globalisierung bitter zu spüren bekommen. Im letzten Quartal 2006 ging der Absatz des Autoherstellers Renault um ein Drittel zurück. Es findet eine massive Produktionsauslagerung in Branchen wie Textilien, Computer und Maschinenbau statt. Man schätzt, daß bis 2013 mehr als zwei Drittel der französischen Bauernhöfe verschwunden sein werden - und das, obwohl jedes zehnte Kind unterernährt ist. Die wahre Arbeitslosigkeit liegt bei etwa 20%. Lang ist es her, daß Frankreich das dritte Land der Welt war, das eine Rakete ins All schoß.
Heute behaupten sämtliche Neokonservativen und ihre Mitläufer, wir erlebten das Ende des „französischen Modells“ der Nachkriegszeit, wie es de Gaulle verkörperte, das sich auf Franklin Roosevelt und die Wurzeln des französischen Nationalstaats stützte. Nach der Einführung des Euro sank der Lebensstandard der Mittelschicht und der ärmsten 20% deutlich ab, während die oberen 5% sich in moderne Feudalherren verwandelten und die reichsten 20% vom spekulativen Spielgeld profitierten. Und die Politiker verhalten sich etwa so wie die Adligen in Edgar Allan Poes Geschichte Die Maske des Roten Todes: Sie schützen sich durch den dichten Schleier der Medien und verschließen die Augen vor der Not und dem Zorn der Bevölkerung.
In der letzten Zeit haben aber drei große Bewegungen das Ferment für eine grundsätzliche Veränderung geschaffen. Erst kam im Mai 2005 das „Nein“ zur Europäischen Verfassung, die den Freihandel als Grundlage der europäischen „Zusammenarbeit“ festschreiben sollte. Dann entstand unter den Studenten eine große Protestwelle gegen Kürzungen an den Hochschulen, und im vergangen Mai verhinderte die Jugend mit einer unglaublichen Mobilisierung ein neues Gesetz, das unter dem Vorwand größerer „Flexibilität“ Billiglohnverträge für junge Arbeitnehmer erlauben und Entlassungen stark erleichtern sollte. In der Folge nahmen die Neuanmeldungen junger Menschen als Wähler enorm zu - in einigen Städten um das Zehnfache!
Diese Entwicklungen zeigen, wie sehr sich die Franzosen nach einer Veränderung sehnen. Aber man erkennt auch deutlich die Gefahr jakobinerartiger Unruhen, falls die Eliten sich gegenüber den Rufen der Bevölkerung weiter taub stellen sollten.
Die vorgegebenen Alternativen bei dieser Wahl sind Nicolas Sarkozy - der französische Neocon und Bewunderer Tony Blairs - und Ségolène Royal, eine Sozialistin nach dem Strickmuster von Tony Blair. Andere Kandidaten sind Extremisten, Grüne oder pflegen sonstige Arten folkloristischer Unterhaltung. Die Menschen suchen nach einer Alternative, einer, die in dem, was dieses Land groß gemacht hat, tief verwurzelt ist - und hier ist Cheminades Kampagne entscheidend.
Die Bürgermeister, mit denen sich Cheminade jetzt trifft, gehören nicht zur Elite und regieren keine Großstädte, sondern kleine Orte mit weniger als tausend Einwohnern. Sie haben ganz unterschiedliche soziale Hintergründe und kommen aus dem ganzen Land. Solche Bürgermeister sind die einzigen Volksvertreter in Frankreich, die bei Wahlen noch eine absolute Mehrheit bekommen, womit belohnt wird, daß sie wirklich hart arbeiten. Ihr Mandat wird immer schwieriger, vor allem wegen der Haushaltskürzungen. In einer Umfrage gaben kürzlich drei Viertel der befragten Bürgermeister an, daß sie nicht wieder kandidieren wollen.
Die französische LYM hat im letzten Jahr 16 000 dieser Bürgermeister angerufen und Treffen vereinbart, um möglichst viele zu überzeugen, Cheminade als Stachel gegen die Pariser Höflinge zu benutzen. Von 700 Bürgermeistern, mit denen wir uns trafen, haben 220 die vorläufige Unterstützungserklärung unterschrieben, etwa gleich viele lehnten es ab. Nun kommt es darauf an, die 300-400 Unentschiedenen zu überzeugen und 10 000 weitere zu kontaktieren. Uns bleiben sechs Wochen, die übrigen 300 Erklärungen zu besorgen, damit Cheminade offiziell kandidieren kann. Das ist eine große Herausforderung für die französische LaRouche-Bewegung, denn viele der potentiellen Unterzeichner trauen der Politik grundsätzlich nicht mehr und glauben nicht, daß man wirklich etwas verändern kann.
Trotzdem hängt es an ihnen, ob Frankreich als Nation zu sich selbst zurückfindet. Es macht großen Eindruck auf sie, wenn junge Menschen wie wir kämpfen, aber wirklich begeistert sind sie, wenn sie mit Cheminade persönlich sprechen können - dazu fährt er seit Monaten kreuz und quer durchs Land.
Beschreiben wir einmal drei unterschiedliche Treffen mit Bürgermeistern, um einen Eindruck davon zu vermitteln, welche politischen Strömungen sich zu Cheminade hingezogen fühlen:
Die linken Humanisten. „Aber warum sagen die Leute, Sie seien ein Faschist?“, fragte ein Bürgermeister Jacques, um zu testen, wie er reagieren würde. Er hatte, nachdem die LYM ihm von Cheminade erzählt hatte, mit einigen Kollegen aus seiner Gewerkschaft über ihn gesprochen. „Ihre jungen Leute sagten mir, Sie seien nicht politisch!“, worauf Cheminade ausrief: „Falsch, ich bin politisch!“ „Ja, aber von welcher Seite, rechts oder links? Ich habe Ihr Programm gelesen, daraus wird das nicht klar. Die Leute, die behaupten, sie stünden auf keiner Seite, sind immer Rechte.“ Cheminade antwortete, Jean Jaurès (Sozialistenführer am Beginn des 20. Jahrhunderts), Léon Blum und Jean Zay (die Anführer der Volksfront in den 30er Jahren) seien seine positiven Bezugspunkte zur französischen Linken, aber die heutigen Sozialisten hätten diese Tradition verraten.
Da beruhigte sich der Bürgermeister und hörte lächelnd weiter zu, als Cheminade daran erinnerte, wie die Kommunisten der sozialen Bewegung 1936 Chorauftritte und sogar Theateraufführungen auf der Straße organisierten, um die Menschen zu erheben. Dem stellte er die verkommene populistische Kultur von heute entgegen, die Menschen moralisch herabzieht. Nachdem der Bürgermeister sich Jacques’ Vorstellungen zur Bildung angehört hatte, antwortete er, er halte die Trotzkisten für destruktiv, und er verstehe nun, daß Jacques eine konstruktivere und optimistischere Sicht habe. Dann gestand er, was sein anderer Beruf war: Deutschlehrer. Er hatte auf unserer Internetseite hocherfreut den Text „Schiller für Frankreich“ und einen anderen von Jacques über Heinrich Heine gelesen. Unsere besten Unterstützer freuen sich, auf einer politischen Webseite Schriften und Poesie und Kunst zu finden.
Die letzten echten Gaullisten. Kaum saß Cheminade vor ihm, so erklärte ein alter Bürgermeister feierlich, er werde für niemanden unterschreiben. „Der einzige Kandidat, den ich jemals unterstützt habe, war der General.“ Er hatte 1965 für de Gaulle unterschrieben. Cheminade antwortete, er sei nicht bloß wegen einer Unterschrift gekommen, er wolle auch eine Lektion in Geschichte erteilen. Er zog die Parallele zwischen den Plänen für eine Entwertung des Pfund Sterling heute und der Zeit 1967-68. Er beschrieb, wie de Gaulles Widerstand gegen die Abkopplung des Dollars vom Gold zu den Unruhen im Mai 1968 und de Gaulles Sturz führte. Der Bürgermeister meinte, das wisse er schon. Cheminade fuhr fort: „Aber hier kommt die zweite Lektion. 1968 waren Ihre Leute, die Gaullisten, auf der richtigen Seite. Aber was glauben Sie, auf welcher Seite heute Sarkozy steht?“ Der Mann wurde unruhig, gab Jacques aber Recht.
Dann erklärte Jacques seine Ziele: Mit seiner Forderung nach Infrastrukturprojekten und Forschungsprogrammen greife er de Gaulles „Planifikation“ wieder auf. Der Bürgermeister begeisterte sich für Cheminades Militärprogramm und sagte, sein eigener Militärdienst sei eine wunderbare Erfahrung gewesen. Am Ende sagte Jacques: „Ich hoffe, Sie haben ein schlechtes Gewissen, daß Sie nicht für mich unterschreiben“, woraufhin der Mann lächelte und antwortete: „Geben Sie mir acht Tage“, und: „Das habe ich nicht erwartet.“
Die sozialen Christen. Die ersten Worte dieses Bürgermeisters waren sehr laut: „Ihr Programm ist voller amerikanischer Wörter! Neues Bretton Woods, das klingt doch wieder nach so einem amerikanischen Schwachsinn!“ Cheminade überrumpelte ihn: „Gut!“ Noch lauter erwiderte der Mann: „Warum sagen Sie das?“ Cheminade antwortete: „Ich freue mich, daß Sie mein Programm wirklich gelesen haben.“ Beide mußten lachen. Wir berichteten dem Bürgermeister dann über den amerikanischen Teil unserer Bewegung, der an vorderster Front für die Amtsenthebung von Cheney und Bush kämpft. „Das ist gut“, antwortete er, „dieser Bush ist sowieso kein Christ.“
Dieser Bürgermeister hatte früher für Christine Boutin unterzeichnet, eine „soziale Katholikin“, die jetzt aber Sarkozy unterstützt. Er und Jacques führten ein anregendes Gespräch über die christliche Soziallehre, Papst Leo XIII. und die Enzykliken Papst Johannes Pauls II. über die menschliche Arbeit. Der christlich-soziale Bürgermeister konnte Sarkozy nicht ausstehen, er hielt ihn für eine populistische Verirrung. Nach zwei Stunden unterschrieb er das Formular und sagte lächelnd: „Nach dem Gespräch mit Ihnen bin ich wieder in Form. Hoffentlich kommen Sie wieder, mein Rathaus steht Ihnen offen.“
So löst Cheminades Programm bei diesen unterschiedlichen Strömungen große Neugier aus. Das Konzept des „Kapitalhaushalts“ für die Projekte gibt den Bürgermeistern eine Antwort auf die bange Frage nach der Zukunft ihrer Kinder und ihrer Gemeinden. Insofern ist das Bündnis zwischen Cheminade und einem Kern - man könnte auch sagen, einem „Chor“ - von Bürgermeistern kein bloßer Kompromiß, sondern eine ehrliche Verpflichtung. Sie sehen in ihm einen ähnlichen Charakter wie de Gaulle, Roosevelt, Adenauer und Mendes-France.
Viele Bürgermeister haben sich eigentlich schon entschlossen, zu unterschreiben, möchten aber noch abwarten, bis sie Cheminade persönlich getroffen haben - „um zu sehen, ob er wirklich existiert“, wie einer hinterher meinte. „Die jungen Leute haben mir eine Person namens Cheminade beschrieben. Ich habe ihnen vertraut, weil sie sehr überzeugend waren. Aber die Wirklichkeit seines Charakters in meinem Büro ist ein wahrer Augenblick der Hoffnung.“
Fred Bayle
Lesen Sie hierzu bitte auch:
Die wirkliche Alternative für Frankreich - Neue Solidarität Nr. 3/2007 "Es ist unsere Pflicht, Afrika vor Plünderung zu schützen" - Neue Solidarität Nr. 50/2006 Die Internetseite von Jacques Cheminade - in französischer Sprache |
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