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Aus der Neuen Solidarität Nr. 17/2007 |
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Von Helga Zepp-LaRouche
- Teil 2 -
Der folgende Aufsatz von Helga Zepp-LaRouche erschien erstmals vor 25 Jahren in leicht gekürzter Form in der Neuen Solidarität und wenig später in einem Massenpamphlet der Europäischen Arbeiterpartei. Wir drucken ihn aus aktuellem Anlaß in den mehreren Folgen ab.
Obwohl jeder, der die sprichwörtlichen „Korridore der Macht“ kennt, weiß, daß im politischen eben kaum etwas ohne Absprache über gemeinsame Absichten, Pläne und Methoden geschieht, und obgleich es auch selbstverständlich ist, daß bestimmte Personen größeren Einfluß haben als andere, so hebt doch oft ein großes Geschrei an, sobald man darauf hinweist, daß es „Drahtzieher“ hinter gewissen Ereignissen gibt. Nur weil die Nazis den rassistischen Popanz einer jüdischen „Weltverschwörung“ in Szene setzten, kann nicht generell abgelehnt werden, daß es Verschwörungen gibt. Ja, man kann sogar soweit gehen, daß nichts Wesentliches geschieht, im Guten wie im Bösen, ohne daß eine Verschwörung dahinter stünde, das heißt, ein Plan zweckgerichtet ausgeführt wird.
Dabei braucht man gar keine wackligen Hypothesen aufzustellen. Die oligarchische Elite ist zuweilen so arrogant, diese Verschwörungen selbst zu beschreiben. So schrieb der Jesuit Carroll Quigley in seinem Buch Tragedy and Hope, in der er erstaunlich viel akkurates Material über die finsteren Absichten monetaristischer oligarchischer Kreise aufdeckt, solche Veröffentlichungen könnten ihren Zielen kaum schaden, da diese Fraktion die Macht schon so weitgehend übernommen habe, daß jeder Widerstand gegen sie sowieso sinnlos sei. Marilyn Ferguson in The Aquarian Conspiracy drückt sich ganz genauso aus, bzw. zuvor schon H. G. Wells, wenn er von „offener Verschwörung“ spricht.
Eines der bemerkenswertesten Bücher in dieser Hinsicht ist das schon zitierte Buch von Armin Mohler, Die Konservative Revolution. Nicht nur, weil in ihm die Unverfrorenheit zum Ausdruck kommt, schon 1950 faschistisches Gedankengut „reinzuwaschen“, sondern vor allem deshalb, weil es einiges Licht auf die Geschäftspolitik der Firma Siemens wirft. Wenn man in Rechnung stellt, daß Peter von Siemens dem Anthroposophentum anhängt und Armin Mohler als Chef der Siemensstiftung ein Verkünder der „konservativen Revolution“ ist, dann wundert es nicht mehr, welch dubiose Rolle die Fa. Siemens gegenüber dem technologischen Fortschritt gerade im Bereich der Kernenergie spielt.
Mohler läßt in diesem Buch, einer leicht veränderten, bei Karl Jaspers 1949 verfaßten Dissertation, keinen Zweifel daran, wovon er spricht: „konservative Revolution“ sei ein Synonym für das, was allgemein als faschistisch bezeichnet werde.19
Die konservative Revolution, das sind laut Mohler kleine geistig lebendige Kreise, hochexplosive Sekten und im Hintergrund bleibende, lose Elite-Zusammenschlüsse. Die Verachtung gegenüber den „Massen“ versucht Mohler nicht zu verbergen:
„Die große Partei hält ihre Massen durch die organisatorische Bindung an eine dem Durchschnitt angepaßte und auf Schlagwörter verengte Doktrin zusammen und bietet für überragende Köpfe nur Raum, sofern sie sich an der Bändigung (!) der Massen beteiligen und ihre geistigen Fähigkeiten einem esoterischen Raum vorbehalten (!). Der Großteil der überdurchschnittlichen Intelligenzen aber sammelt sich in jenen kleinen Kreisen, die in ständiger geistiger Spannung vibrieren, sich im Besitz der allein wahren Lehre glauben und die Massenpartei des realpolitischen ,Verrats an der Idee` bezichtigen.“20
Man durchbricht die babylonische Sprachverwirrung im heutigen politischen Leben, wenn man das Geständnis zahlreicher Vertreter der „konservativen Revolution zur Kenntnis nimmt, daß es eigentlich keinen Unterschied gibt zwischen „rechts“ und „links“, wie angeblich so politisch verschiedene Personen wie Mohler, Moeller van den Bruck und Daniel Cohn-Bendit21 und Oskar Negt zugeben. Bei ihnen wird der Gegensatz von „Sozialismus“ und ,Nationalsozialismus“, von „rechts“ und „links“ aufgehoben.
So darf man sich nicht davon täuschen lassen, daß einige „konservative Revolutionäre“ entweder sich vom Dritten Reich distanzierten oder sogar von diesem mißachtet oder verfolgt wurden. Auch wenn ihnen, laut Mohler, Ende der 20er Jahre deutlich wurde, daß ein erfolgreicher Nationalsozialismus „ihre Ziele ebenso verfälschen würde wie ein erfolgreicher Kommunismus“, so bleiben sie doch die geistigen Ziehväter des Faschismus damals wie heute.
Der Titel „konservative Revolution“ geht zwar auf eine erste Formulierung Hugo von Hoffmannsthals und dann auch auf Moeller van den Bruck zurück, ist aber keineswegs eine spezifische deutsche Sache. Mohler nennt in diesem Zusammenhang u.a. die folgenden Namen: Hans Grimm, Oswald Spengler, Ernst Jünger, G. F. Jünger, Albrecht und Karl Haushofer, Schulze-Boysen, Moeller van den Bruck, Hugo von Hoffmannsthal, Nietzsche, Richard Wagner, Stefan George u.v.a. für Deutschland, aber z.B. Dostojewski und die beiden Axakows für Rußland, Sorel, Barres für Frankreich; Unamuno für Spanien, Pareto, Ebola für Italien; Lawrence, Chesterton für England; Jabotinski für das Judentum; Lothrop Stodart, Madison Grant, James Burnham für die USA.22 Diese „Denker“, die nicht unbedingt selbst oligarchischen Familien entstammten, sind wie ihre modernen Nachfolger Peccei, Forrester, Meadows, Jungk, Gruhl, Gwischiani, Frolow, King etc. gewissermaßen die Hofideologen dieser Familien. Heute sitzen sie vorwiegend in „Denkfabriken“, Stiftungen, oder arbeiten als Kontrolleure für „Bewegungen“ und Terroristen. Sie tun das, was Mohler „Bändigung der Massen“ nennt.
Die Nachsicht, und damit Korrumpierbarkeit, die heute viele Ältere gegenüber den „Grünen“ zeigen, hängt mit der Verharmlosung ihrer eigenen früheren Zugehörigkeit zu der alten Jugendbewegung zusammen. Nun war sicher nicht jeder Wandervogel später ein Faschist, ebenso wie nicht alle „Grünen“ unrettbar sind, aber die alte Jugendbewegung war doch der Durchlauferhitzer für die spätere faschistische Führung. Sie war ganz wie heute ein „Aufstand gegen die Welt der Väter“, gegen „eine Welt des Scheins“ und der „Künstlichkeit der Städte und Fabriken, die alles zu ersticken droht.“
Auch die verschiedenen Phasen, Zusammenschlüsse, Spaltungen, Neuformierungen weisen starke Parallelen zu heute auf. Mohler spricht von einer ersten Welle, dem „Wandervogel“, die formlos und anarchisch gewesen sei, und einer „zweiten Welle“, der „Freideutschen Jugend“. Beide hätten insofern in die Weimarer Republik in fast allen konservativ-revolutionären Gruppierungen nachgewirkt, als deren Führer zu einem Großteil durch die Vorkriegsformen der Jugendbewegung hindurchgegangen seien.
Nach dem Ersten Weltkrieg entstand aus einer Mischung von Freikorps, Jugendbünden und damaligen „Aussteigern“ ein „neuer revolutionärer Typus“, der ganz im Sinne Nietzsches „nihilistisch“ war. Mohler weist einsichtsvoll darauf hin, daß diese „Revolutionäre“ wegen ihres Nichteinbezogenseins an Gefährlichkeit und Schlagkraft gewonnen hätten, was für die heutigen Aussteiger ebenfalls zutrifft.
Damals wie heute besteht der begründete Verdacht, daß diese rechts- oder linksextremen Bewegungen zwar auch selber zur politischen Gewalttat neigen, aber oft doch nur die Kulisse abgeben für den professionellen politischen Mord an den Vertretern des technologischen Fortschritts.
Der Vorläufer der Mordfirma „Permindex“23, die verantwortlich ist für den Mord an Kennedy und die Anschläge auf de Gaulle oder in jüngster Zeit der Anschläge auf Reagan und den Papst, war in den frühen 20er Jahren die Geheimorganisation „O.C.“ („Organisation Consul“), die für eine Serie von Mordanschlägen, u.a. auf den deutschen Außenminister Rathenau, verantwortlich war.
Die „O. C.“ wurde von der „Thule-Gesellschaft“ kontrolliert. Bei der „Thule-Gesellschaft“ handelt es sich um eine elitäre Geheimorganisation, zu deren Mitgliedern Prof. Karl Haushofer, Prinz Gustav von Thurn und Taxis, Gräfin Westarp, Baron von Seydlitz, von Sebottendorf, Scheubner-Richter, Rudolf Hess und Alfred Rosenberg gehörten. Diese Organisation verfügte über umfangreiche Geldmittel und beste Verbindungen zu führenden Adelsfamilien und Nachrichtendiensten. Die „Thule-Gesellschaft“ fungierte als „Mutterorganisation“ einer Vielzahl von Parteien, Verbänden, paramilitärischen Einheiten und Terrororganisationen. Die folgenreichsten Geschöpfe der „Thule-Gesellschaft“ sind die von ihr bekundete NSDAP und Adolf Hitler.
Wenn sich ein normaler Mensch mit den Kult-Ideen der verschiedenen Strömungen im faschistischen Umkreis beschäftigt, so ist er zumeist überrascht über die Tiefe des pathologischen Infernos, das sich vor ihm auftut. Auch wenn es keineswegs Vergnügen bereitet, diese Ergüsse zu studieren, so ist eine Untersuchung der Krankengeschichte doch notwendig.
Anhänger der konservativen Revolution unterscheiden sich durchaus nicht selten punktuell voneinander, ja, wie noch zu zeigen sein wird, es wäre ihnen sogar verdächtig, wenn sie alle miteinander übereinstimmten. So ist es mit der „Kritik“ an der „konservativen Revolution“ von Romano Guardini, dem Mohler beeindruckt einen „Spürsinn für ferne Beben“ zugesteht. Guardini, ehemaliger Mitarbeiter des „Tat-Kreises“, Begründer der „Quickborn-Bewegung“ und einer nach ihm benannten Stiftung, hat sich mit seinen Schriften in den Verdacht gebracht, einer von den „Christen“ zu sein, „die keine Christen sind.“
In der Schrift Die Heilbringer24, die laut Mohler an der Oberfläche als Kritik am Heilbringermythos in der Nazi-Führerideologie geschrieben ist, versucht Guardini diesen Mythos gegen das Christentum abzusetzen. Ebenso wie die Brüder Horneffer, Guardinis Kollegen im „Tat“-Kreis, war er mit dem Gedankengut Nietzsches sehr vertraut und übernahm oft dessen Geschichtsauffassung. So behauptete er z.B., daß alle großen Religionen vor dem Christentum von einem Kreislauf, einem großen Rhythmus innerhalb eines Ganzen, „des Lebens“, ausgegangen seien.
„Dessen Fortgang ist es, was sich in dem Rhythmus des Aufsteigens und Absinkens, in dem der Tiefe des Erstorbenseins und in der Höhe der Gipfelung vollzieht. Dieses Leben geht auch durch das Einzelwesen hindurch. Geburt und Tod scheinen jeweils absolut, in Wahrheit sind sie durchaus relativ. Was eigentlich geboren wird und stirbt, individuelle Gestalt annimmt und sie verläßt, ist nicht das Einzelwesen, sondern das Leben überhaupt. Geburt wie Tod, Lebendigsein und Totsein sind Phasen jenes Eigentlichen, die Sondergestalt ist nur Durchgang. Was in Wahrheit besteht, ist das Leben der Gattung, das Individuum ist nur Welle. Diese Tatsache wird zusammengedrängt im dionysischen Erlebniserfahren, wenn im Augenblick der höchsten Lebensgipfelung die Todesmöglichkeit durchdringt.“25
Guardini entwickelt nun den Begriff der „Heilbringer“, also jener Kultisten, auf die diese bestialische Weltanschauung hinausläuft. Solche „Heilbringer“ sind Osiris, Mithra, Dionysos, Baldur. „Sie und die Mythen sind Ausdrucksformen dieses im Weltdasein selbst laufenden Rhythmus“, schreibt Guardini. „Sie sind Erlöser, aber innerhalb jenes unmittelbaren Weltrhythmus.“
Guardini bezeichnet Christus als den Sprenger dieses Kreislaufes, weil Christus „gerade von dem erlöst, was sich in den Heilsbringern ausdrückt. Er befreit den Menschen aus der Unentrinnbarkeit des Wechsels von Leben und Tod, von Licht und Finsternis, von Aufstieg und Niedersinken. Er durchdringt die verzaubernde, scheinbar von allem Daseinssinn gesättigte, in Wahrheit alle personellen Wünsche auflösende Eintönigkeit der Natur“, denn „im Bereiche der Heilbringermythen hat die Person keinen Raum.“
Guardini beweist eine erstaunliche Einsicht in die Ideologie der Anhänger eines ewigen Jojo-Prinzips im Universum. Es ist ihm aber vorzuwerfen, daß er so tut, als wäre das Universum bis zur Geburt Christi wirklich diesem Prinzip gefolgt, was aber zu keinem Zeitpunkt zutraf. Man versteht den Fehler Guardinis nur, wenn man nicht, wie die Peripatetiker, von einem einmaligen Schöpfungsakt ausgeht, sondern den Schöpfungsprozeß von einem augustinischen Standpunkt betrachtet.
Augustinus, und in seiner Tradition Papst Johannes Paul II, betrachtet die Schöpfung als fortlaufenden Vervollkommnungsprozeß, in dem der Mensch als Instrument Gottes die Schöpfung fortsetzt. Diesen Vervollkommnungsprozeß, der sich in der Evolution widerspiegelt und für dessen aktive Fortsetzung sich der moralische Mensch bewußt entscheidet, fand durchaus auch vor Christus statt. Die Idee der Vervollkommnungsfähigkeit war z.B. charakteristisch für die indoeuropäische Weda-Kultur, die ionischen Städtebauer oder Plato und die Neuplatoniker.
Guardini verleiht den „Heilbringern“ erstaunlich viel Glaubwürdigkeit, anstatt sie als politische Mythologie der fortschrittsfeindlichen oligarchischen Fraktion im Kampfe gegen die Städtebauer-Fraktion der Vernunft und des Fortschritts zu entlarven. Von einem wirklich christlichen Standpunkt aus würde er über sie reden wie Augustinus über die Manichäer. So leistet er dem Manichäismus Vorschub.
Guardini weist richtig darauf hin, daß Christus den Kreislauf deshalb durchbricht, weil er „von oben“ kommt, und zitiert Joh. 8,23: „Ihr seid von unten her, ich bin von oben her, ihr seid von dieser Welt, ich bin nicht von dieser Welt,“ Diese Worte, dieser Unterschied hat heute in der strategischen Auseinandersetzung primäre Bedeutung.
Während die Humanisten zu allen Zeiten den Menschen „von oben“ sahen, d.h. ihn nach seinem Potential zur Vernunft betrachteten, sahen die Anti-Humanisten den Menschen immer „von unten“, d.h. als Bestie, die es nur zu bändigen gilt. Dieser unterschiedliche Denkansatz ist entscheidend nicht nur für die jeweilige Staatsrechtsauffassung, sondern auch für die naturwissenschaftliche Forschung.26
Die Menschwerdung Christi nennt Guardini eine „unwiderbringliche Stunde“.
„Die Heilbringer kommen aus dem Schoß der Welt und der Natur; Christus aus dem dreieinigen Gott, der in keiner Weise in das Gesetz vom Wandel des Lebens und des Todes, dem des Lichtes und der Finsternis eingefangen ist... Er kommt aus der unabhängigen, ihrer selbst mächtigen Freiheit Gottes. Schon dadurch macht er vom Gesetz der Welt frei... Christus offenbart, wer Gott wirklich ist: Nicht die unendliche numinöse Strömung, nicht der Weltgrund; nicht das Geheimnis des Lebens; nicht die höchste Idee, sondern der in sich selbst stehende Schöpfer, und der Herr der Welt.“27
Und nun fügt Mohler hinzu:
„Diese Einzigkeit der Stunde ist der archimedische Punkt, von dem aus das Christentum das gegnerische Weltbild aus den Angeln zu heben sucht. Diese Einzigkeit der Stunde ist eben auch der Punkt, wo jeder entscheidende Angriff auf das christliche Weltbild ansetzt.“28
Es ist wiederum höchst faszinierend, wie offen, ja geradezu programmatisch Mohler seinen Finger auf die entscheidende Stelle legt. Denn der Angriff auf die Idee dessen, was mit der „Einzigkeit der Stunde“ gemeint ist, ist heute das tiefgehendste Kennzeichen für all diejenigen, die einen neuen Faschismus planen.
Christliche Häretiker wie Küng, die Jesuiten, aber auch jemand wie Guardini, wollen zunächst die ontologische, universelle Wahrheit des Christentums aufweichen, indem sie diese als eine religiöse Interpretationsmöglichkeit neben vielen beschreiben. Kurz, sie leugnen, daß es eine Wahrheit und damit eben zugleich Irrtum gibt, und sie leugnen die Überprüfbarkeit dieser Wahrheit im physikalischen Universum.
Diejenigen, die das „christliche Weltbild“ zerstören wollen, kann man unweigerlich daran erkennen, daß sie das christliche Dogma in einem entscheidenden Punkt verändern wollen, dessen Mangel ihm den Lebenshauch rauben würde. Das ist das „filioque“, die Idee, daß Christus zugleich Gott und Mensch ist, und daraus abgeleitet, daß jeder Mensch durch die Erlösung Christi am Göttlichen teilhat. Wie der oben erwähnte Mumford richtig erkannt hat, ist diese Teilhabe des Menschen am Göttlichen die ethische Barriere gegen den Völkermord.
In Anbetracht dieser enormen politischen Folgen muß die Rolle, die das Christentum in den letzten 2000 Jahren gespielt hat, noch einmal unterstrichen werden. Und wegen dieses Zusammenhangs hat die jüngste Enzyklika Laborem Exercens von Johannes Paul II sowie sein Hirtenbrief Familiaris Consortio primäre strategische Bedeutung.
Der Papst betont in diesen Schriften unmißverständlich den Charakter des Menschen als „Ebenbild Gottes“, und daß die Aufgabe des Menschen, sich die Erde Untertan zu machen, für alle Zeiten gilt. Diese Enzyklika ist vom epistemologischen Standpunkt die weitgehendste, weil sie von einer Kohärenz der Gesetzmäßigkeit des Universums, des Menschen und Gottes ausgeht und damit einen unendlichen Vervollkommnungsprozeß annimmt. Der Schöpfungsprozeß geht weiter, durch den Menschen auf Erden und mit Hilfe der Technologie, die ausdrücklich als Verbündete des Menschen bezeichnet wird. Ja, der Papst fordert ausdrücklich politische und rechtliche Reformen, damit die politische Ordnung in der Welt dieser Gesetzmäßigkeit angepaßt und damit gerecht wird. Konkret heißt das, massiver Technologietransfer in die Dritte Welt und damit die umfassende Ausbreitung dessen, was die „konservative Revolution“ am meisten fürchtet.
In einem Kapitel mit dem nicht mathematisch, sondern mystisch gemeinten Titel „Linie und Kugel“ drückt Mohler eben diese Furcht so aus: Die Idee eines unaufhaltsamen Fortschreitens auf einen bestimmten Punkt zu entwerten, das jeweils Gegenwärtige zugunsten eines besseren Zukünftigen. Es mache dabei keinen wesentlichen Unterschied, ob ein Fortschreiten auf das christliche Reich Gottes oder die klassenlose Gesellschaft oder ein anderes Endziel gemeint sei.
Da Mohler in Bezug auf dieses Fortschreiten dauernd den Begriff „linear“ verwendet, muß man allerdings feststellen, daß er seine Gegner doch nicht so gut kennt, wie er denkt. Weder der platonische Vervollkommnungsgedanke noch der christliche oder wissenschaftliche Fortschrittsgedanke ist linear gemeint, sondern strebt höheren Ordnungen zu, ist also negentropisch und gewinnt an Komplexität. Soviel nur zu Mohlers Kenntnissen.
„Für das Abendland ist auf jeden Fall das Christentum schicksalbestimmend geworden. Zusammen mit seinen Säkularisationsformen, den Fortschrittslehren jeder Art, hat es die moderne Welt geschaffen, gegen welche sich der konservativ-revolutionäre Aufstand richtet.“29
Und dann zitiert er wieder Guardini mit einer Passage, die die gegenwärtige Gefährdung des Papstes erhellt:
„Nichts ist falscher als die Meinung, die neuzeitliche Herrschaft über die Welt in Erkenntnis und Technik habe im Widerspruch zum Christentum erzwungen werden müssen, das den Menschen in untätiger Unterwürfigkeit halten wollte. Das Gegenteil ist wahr: Das ungeheure Wagnis der modernen Wissenschaft und Technik, dessen Tragweite wir nach den letzten Erfindungen mit tiefer Beunruhigung empfinden, ist nur aufgrund jener personalen Unabhängigkeit möglich geworden, welche Christus dem Menschen gegeben hat.“30
An dieser Stelle ist es angebracht, noch einmal darauf hinzuweisen, daß die Vertreter der „konservativen Revolution“ zumindest in einem Punkt recht haben: daß „rechts“ und „links“ letztlich dasselbe werden, wenn „Nationalismus“ und „Sozialismus“ in eins fallen, daß rechts und links eher unbrauchbare Begriffe sind, wenn es gilt, politische Gegensätze zu beschreiben. Der fundamentale Gegensatz besteht zwischen Christentum und Fortschrittsdenken auf der einen und der konservativen Revolution auf der anderen Seite.
Und so sinnierte Mohler schon 1949, als jeder anständige Mensch in Deutschland damit beschäftigt war, das Land aus den Trümmern wieder aufzubauen:
„Unsere Zeit bietet ein seltsames Schauspiel. Auf der einen Seite rast die lineare Welt des Fortschritts mit der Entfesselung der Atomkraft dem Höhepunkt zu und sucht auch den letzten freien Fleck der Erde mit ihrem Netz von Schloten, Schienensträngen und Kabeln zu überdecken. Auf der anderen Seite aber stehen Sprecher, die von einer Welt der mittäglichen Stille zeugen.“31
1927 schrieb Herrmann Hesse in seinem Steppenwolf:
„Zum wirklichen Leiden, zur Hölle wird das menschliche Leben nur da, wo zwei Zeiten, zwei Kulturen und Religionen einander überschneiden... Eine Natur wie Nietzsche hat das heutige Elend um mehr als eine Generation voraus erleiden müssen - was er einsam und unverstanden zu kosten hatte, das erleiden heute Tausende.“32
Leider begnügen sich die Vertreter der konservativen Revolution nicht damit, es bei dieser Doppelmachtsituation zu belassen, sondern sie wollen gewinnen (auch wenn darüber die Welt zugrunde gehen sollte).
So bemerkte Ernst Jünger schon damals: „Wir stehen an der Wende zwischen zwei Zeitaltern, wie sie etwa dem Wechsel von der Stein- zur Metallzeit entspricht“. Eine Art Interregnum also, für das im übrigen der „große“ Nietzsche den absoluten Wendepunkt dargestellt habe.
Wer nun argumentieren möchte, dies alles beträfe doch die Grünen nicht, nun, der Beweis, daß allerdings eine große Ähnlichkeit besteht, kann erbracht werden. Es sei hier noch einmal auf das Buch von Marilyn Ferguson Die Verschwörung des Wassermanns verwiesen, das nur die populär aufbereitete Version einer Studie des „Stanford Research Instituts“ in Palo Alto war.
Dieses Institut muß als eine der wichtigsten Planungsstellen der „konservativen Revolution“ betrachtet werden. Von hier gingen nicht nur verschiedene Experimente mit Drogen aus, sondern hier wurden auch alle denkbaren alternativen Lebensstile entworfen. Was Ferguson in dem genannten Buch beschreibt, ist die Unterwanderung der Gesellschaft, vor allem der Jugend durch die von ihr so bezeichnete „Verschwörung des Wassermanns“. Das Zeitalter des Christentums und wissenschaftlicher Rationalität von ihr als „Zeitalter des Fisches“ charakterisiert werde jetzt abgelöst durch das „Zeitalter des Wassermanns“. In diesem gelte nicht die Vernunft, sondern das Gefühl, und alle Verschwörer hätten teil an einem gemeinsamen kosmischen Bewußtsein, würden sich gegenseitig sogleich erkennen und seien schon in alle Lebensbereiche, selbst das Militär, vorgedrungen. Ferguson fährt im übrigen fort, die Umweltschützer, die Alternativen aller Art zu feiern.
Im Steppenwolf hatte es geheißen:
„Ich habe auch jahrelang enthaltsam gelebt und auch lange Zeiten gefastet, aber zur Zeit stehe ich wieder im Zeichen des Wassermanns, einem dunklen und feuchten Zeichen.“33
Bei Mohler liest sich das 1949 in der Beschreibung der von der konservativen Revolution angenommenen Wende so:
„Bei anderen verdichtet sich diese Vorstellung gar zum Bild der Ablösung eines Aeons durch einen neuen. ... Knut van Ermsen beispielsweise sieht diese Wandlung im Zusammenhang mit kosmischen Wandlungen: Wir stehen an der Wende vom Zeitalter der Fische zum Zeitalter des Wassermanns. Dabei ist für ihn der Nationalsozialismus, dessen zeitweilige Herrschaft er in der 1932 erschienenen Schrift Adolf Hitler und die Kommenden bereits für gegeben ansieht, nur ein erstes Fieberbläschen, das solche Wandlungen ankündigt. Daß die Fische ein Symbol Christi sind, paßt ihm gut in den Zusammenhang.“34
Das Zeitalter des Wassermanns könnte man auch mit der Herrschaft des Dionysos übersetzen. Wie Mohler feststellt, ist für Nietzsche der christliche Gott, nicht aber der „Gott“ der Wiederkehr tot, hieße er nun „Dionysos“, „Mithra“ oder anders.
Als für jedermann klar geworden war, daß die amerikanische Hochzinspolitik nicht nur die amerikanische Wirtschaft selbst, sondern auch den Rest der Welt in die Depression treibt, wäre die normale Reaktion zweifellos eine Senkung der Zinsen und die Ankurbelung der Produktion durch billige Kredite gewesen. Ein häufig zu hörendes Argument war: „Aber es kann doch nicht im amerikanischen Interesse sein, die eigene Wirtschaft zu ruinieren!“
Nun, eine solche Argumentation läßt die Tatsache außer Acht, daß es allerdings Leute gibt, die nicht nur die Vernunft ablehnen, sondern auch das Chaos wollen. So schreibt Ernst Jünger, zitiert nach Mohler:
„Wir marschieren seit langem einem magischen Nullpunkt zu, über den nur hinwegkommen wird, wer über andere, unsichtbare Kraftquellen verfügt.“35
„Damit, mit diesem magischen Nullpunkt“, so schreibt Mohler spürbar fasziniert, „betreten wir den innersten Kreis des ,Deutschen Nihilismus’. Es ist der Glaube an die unbedingte Zerstörung, die in unbedingte Schöpfung umschlägt. Denn ,Fäulnis’ geschieht nicht im wesentlichen Kern ... An das, was übrig bleibt... ist unsere Hoffnung geknüpft“, zitiert er wieder Jünger.36
Der Autorin dieses Artikels ist zufällig bekannt, daß heute Personen, die sich selbst der „konservativen Revolution“ zurechnen und die für die heutige Krise verantwortlich sind, ernsthaft glauben, im Falle eines Atomkriegs nach Argentinien auswandern zu können, und dort bereits Domizil und Bankkonto eingerichtet haben.
Wie kriminell und dem heutigen Terrorismus nahe diese Denkweise ist, wird aus einem anderen Jünger-Zitat deutlich, in dem er sich über den Bewußtseinsstand des „heroischen Realisten“ ausläßt, von dem er sagt, „er, der sich mit Lust in die Luft zu sprengen vermag, und der in diesem Akte noch eine Bestätigung der Ordnung erblickt“. Was sonst sollte die Terroristen heute motivieren?
In Hesses Steppenwolf war die Verbindung schon da, grüner Terrorismus und eine „klammheimliche Freude“ über Völkermord:
„Die Inschrift ,Auf zum fröhlichen Jagen! Hochjagd auf Automobile' lockte mich an ... Ich begriff sofort: Es war der Kampf zwischen Menschen und Maschine, lang vorbereitet, lang erwartet, lang gefürchtet, nun endlich zum Ausbruch gekommen, überall lagen Tote und Zerfetzte herum ... Prachtvoll aufreizende Plakate an allen Wänden forderten in Riesenbuchstaben, die wie Fackeln brannten, die Nation auf, endlich sich einzusetzen für die Menschen, gegen die Maschinen, endlich die fetten, schöngekleideten, duftenden Reichen, die mit Hilfe der Maschinen das Fett aus den anderen preßten, samt ihrer großen, hustenden, böse knurrenden, teuflisch schnurrenden Automobile totzuschlagen, endlich die Fabriken anzuzünden und die geschändete Erde ein wenig aufzuräumen und zu entvölkern. Damit wieder Gras wachsen, wieder aus der verstaubten Zementwelt etwas wie Wald, Wiese, Heide, Bach und Moor werden könne.
... Es war Krieg, ein heftiger, rassiger und höchst sympathischer Krieg, worin es sich nicht um Kaiser, Republik, Landesgrenzen, um Fahnen und Farben ... handelte, sondern wo ein jeder, dem die Luft zu eng wurde und dem das Land nicht mehr recht mundete, seinem Verdruß schlagenden Ausdruck verlieh und die allgemeine Zerstörung der blechernen zivilisierten Welt anzubahnen strebte. Ich sah, wie allen die Zerstörungs- und Mordlust so hell und aufrichtig aus den Augen lachte, und in mir selbst blühten diese roten wilden Blumen hoch...“37
Und schließlich:
„Ja, es sind eben gar zu viele Menschen auf der Welt. Früher merkte man es nicht so. Aber jetzt, wo jeder nicht bloß Luft atmen, sondern auch ein Auto haben will, jetzt merkt man es eben. Natürlich ist das, was wir da tun, nicht vernünftig, es ist eine Kinderei, wie auch der Krieg eine riesige Kinderei war. Später einmal wird die Menschheit lernen müssen, ihre Vermehrung durch vernünftige Mittel im Zaum zu halten. Vorderhand reagieren wir auf die unerträglichen Zustände ziemlich unvernünftig, tun aber im Grunde doch das Richtige: wir reduzieren.“38
Für einen normalen Menschen ist dies schwer nachzuvollziehen, aber dieses Lager nimmt ja eben gerade gar nicht in Anspruch, rational zu sein. So gibt Mohler zu, im zyklischen Denken gäbe es viele Widersprüche. Die „konservative Revolution“ sei vielmehr voller Mißtrauen gegenüber jedem System, das „aufgeht“. Die Logik sei eben bloß das Werkzeug zur Bearbeitung von auf anderem Wege gewonnenen Einsichten.
„Die konservative Revolution glaubt, daß ein Denken, das ,aufgeht`, sich in einem wirklichkeitsentleerten Raum abspielt: nur so in widerstandsloser Leere könnten alle Einzelglieder zu einer durchgehenden Konstruktion verbunden werden“.39 Hier liegt wahrscheinlich die Ursache, warum die Mitglieder des Club of Rome selbst nicht an ihre Prognosen glauben. Denn, was Mohler hier beschreibt, trifft zwar auf die manipulative Pseudo-Wissenschaft der globalen Systemanalyse zu, nicht aber auf die Wirklichkeit. Aber auch das ist diesen Leuten schon zu viel Ehre angetan. So gibt ein anderer „konservativer Revolutionär“ namens Quabbe zu:
„Dem Konservativen ist das Nachdenken über die Grundlagen der eigenen Weltanschauung eine Art Profanierung, ... die Zurückführung eines irrationalen Wertes auf das rationale Niveau, eine Entgötterung des Göttlichen, dem der Reiz des Unerklärlichen genommen wird.“40
Mohler beeilt sich, mögliche Mißverständnisse auszuräumen und gibt zu, daß auch in dem Namen „konservative Revolution“ das Wort konservativ unglücklich gewählt sei.
In dem „Bewahren“ und „Erhalten“ stecke ja auch der Gedanke einer Beeinflussung des Geschehens im Ganzen, was der gegnerischen Partei des Fortschritts entspräche, während die neuen Konservativen nicht glaubten, daß sich im Kern je etwas wandele.
Daß sich bei der konservativen Revolution, den Grünen und etwa Gaddafi noch weitere Berührungspunkte ergeben, wird deutlich an ihrer Verehrung der Wildnis. Die Natur, die oft durch den Menschen veredelt sehr viel schöner ist, ist ihnen nicht genug, es muß die Wildnis sein. „Es ist vor allem die Wildnis, die zu einem Leitbild der Dichtung in der Nachfolge Nietzsches wird, Wildnis nicht, von der linearen Welt her gesehen als Zerstörung, sondern als Wunden heilender Schlaf“, sagt Mohler. So etwa würde Gaddafi argumentieren, der darauf besteht, sich immer wieder in die Wüste zur Genesung zurückziehen zu müssen.
Doch Mohler drückt sich noch deutlicher aus:
„In der Wildnis ... gelten die Gesetze der Ökonomie (!) nicht. Die Wildnis ist der Hintergrund, vor dem sich das Weltgefühl entfaltet, das wir hier zu umschreiben suchen, von ihr geht es aus, und zu ihr geht es immer wieder zurück.“41
Fortsetzung folgt
Fußnoten
19. Armin Mohler, op. cit., S. 10
20. Ebenda. S. 4.
21. Der sog. „rote Daniel“ Cohn-Bendit setzte sich im Sommer 1979 für das Demonstrationsrecht der NPD ein und erklärte ausdrücklich, daß rechts und links das gleiche sei. Siehe auch Die grüne Gefahr, hrsg. von der Europäischen Arbeiterpartei, Okt. 1979.
22. Zitiert nach Armin Mohler, op. cit.
23. Siehe Executive Intelligence Review, Special Report, ,Permindex: Britain`s International Assassination Bureau“, 14. November 1981.
24. Romano Guardini, „Die Heilbringer“ in: Mythos, Offenbarung und Geschichte: Eine theologisch-politische Besinnung.
25. Armin Mohler, op. cit.. S. 80,
26. Siehe „System Analysis/White Collar Genocide“ von Lyndon H. LaRouche, jr., Executive Intelligence Review, Vol. 8, Nr. 49 und 50, Dez. 1981, sowie die programmatische Rede von Helga Zepp-LaRouche auf der Konferenz des International Caucus of Labor Committees in Mainz, Oktober 1981, abgedruckt in Neue Solidarität, 8. Jg., Nr. 48, 26. Nov. 1981.
27. Armin Mohler, op. cit., S. 82.
28. Ebenda, S. 82.
29. Ebenda, S. 84.
30. Ebenda, S. 84
31. Ebenda.
32. Hermann Hesse, op. cit., S. 27
33. Ebenda, S. 23.
34. Armin Mohler, op. cit., S. 90.
35. Ebenda, S. 97
36. Ebenda, 5.97.
37. Hermann Hesse, op. cit., S. 196 f.
38. Ebenda, S. 204 f.
39. Armin Mohler, op. cit,. S. 110.
40. Quabbe, S. 7 und 119 f.
41. Armin Mohler, op. cit., S. 100.
Lesen Sie hierzu bitte auch:
Al Gores Erdmutterkult - Neue Solidarität Nr. 14/2007 Die historischen Wurzeln des grünen Faschismus - Teil 1 - Neue Solidarität Nr. 16/2007 Kritik an Grün-Braunen nimmt zu - Neue Solidarität Nr. 16/2007 Wie „rasserein“ muß Ihr Garten sein? - Neue Solidarität Nr. 16/2007 Die grünen Nazis - Neue Solidarität Nr. 16/2007 Stellungnahmen und Reden der BüSo-Vorsitzenden - Internetseite der Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo) |
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