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Aus der Neuen Solidarität Nr. 26/2002 |
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Im Wortlaut. Bei seinem Internetforum am 28. Mai wurde US-Präsidentschaftskandidat Lyndon LaRouche zu seiner Ansicht über gewalttätige Videospiele gefragt. Seine Antwort ist eine schockierende Schilderung des heutigen Zustands der Gesellschaft.
Frage: Sie haben Ihre Ansicht zur neuen Gewalt und vor allem dem Aspekt der Computerspiele dargelegt. Ich stimme damit aber überhaupt nicht überein. Ich bin zwar auch überzeugt, daß es Jugendliche gegenüber Gewaltakten abstumpft, aber solange die Vernunftebene nicht zerstört wird, glaube ich nicht, daß man etwas dagegen unternehmen müßte. Ich würde gerne Ihre Meinung dazu hören.
LaRouche: Ich habe mich sehr sorgfältig und intensiv mit dem Problem der neuen Gewalt auseinandergesetzt. Und ich bitte Sie, meine Äußerungen sehr ernst zu nehmen, denn ich verstehe etwas davon.
Zunächst einmal haben wir es hier mit Spielen zu tun. Und Spiele sind per definitionem nicht die Realität. Ein Spiel besteht im wesentlichen aus fiktiven Regeln. Und die sich daraus ergebenden Probleme haben auch etwas mit den jungen Menschen und ihrer Generation zu tun. Der Schlüssel zum Verständnis der "neuen Gewalt" liegt nicht in den Spielen selbst. Der Schlüssel ist vielmehr das Phänomen der sogenannten "Punk-Generation", die man auch als ""No-future-Generation" bezeichnet.
Daß es dazu kam, ist Ausdruck davon, daß diejenigen, die heute jünger als 25 Jahre alt sind und in die "Punk-Generation" abdrifteten, von ihren Eltern "betrogen" wurden. Hier liegt der Ursprung des Problems. Viele dieser jungen Generation haben den Eindruck, hintergangen worden zu sein. Nicht unbedingt im wörtlichen Sinn eines willentlichen Hintergehens, sondern im Sinne einer Entfremdung von den Eltern, die praktisch zum Feind geworden sind.
Wenn man sich die Punk-Rock-Kultur genauer anschaut, was ich auf ein Mindestmaß beschränkt habe, so wird ein Eindruck sehr klar: Sie ist eine Haß-Ideologie, vor allem eine Ideologie des Hasses gegen die Gesellschaft und gegen die Elterngeneration. Ein Teil dieses Hasses ist durchaus nicht grundlos, denn die Generation der Eltern hat eine Philosophie verbreitet, in der Jugendliche unter 25 Jahren in den USA praktisch keine Zukunft haben. Das ist das erste Grundproblem.
In den heutigen amerikanischen Schulen wird keine richtige Bildung mehr vermittelt. Das amerikanische Schulsystem vor allem in der Oberstufe und in wachsendem Maße auch an den Universitäten ist eine komplette Farce. Auf dem Campus lassen sich keine intellektuellen Erfahrungen mehr machen. Absolventen der High Schools sind darüber verzweifelt, daß sie eigentlich gar nichts wissen und ihnen an ihrer Schule keinerlei Wissen vermittelt wurde. Das ist auch das Ergebnis von Schülertests. Man liest die Ergebnisse und ist empört: "Das soll Bildung und Erziehung sein?" Was tun wir unseren Kindern mit diesem Bildungswesen an - das ist empörend und kriminell.
Wir akzeptieren das Phänomen der Schlüsselkinder. Wir akzeptieren eine Gesellschaft, in der man in der Woche manchmal zwischen drei verschiedenen Jobs hin- und herwechseln muß. Unter solchen Bedingungen gibt es kein Familienleben mehr oder intellektuelle oder geistige Aktivitäten innerhalb einer Familie. Vor allem die Kinder in Gettos wie Harlem verbringen den Großteil ihrer Zeit auf der Straße. Sie sind Straßenkinder. Dann sagt der Vater einfach: "Geh mir nicht auf die Nerven. Mach mir keinen Streß. Hier hast du ein Computerspiel." Ein Kind, das sich intellektuell und emotional abgelehnt fühlt, bekommt statt dessen - ein Spiel, und was für eines! Diese Spiele wurden entwickelt, um Kinder abhängig zu machen. Sie wurden von Leuten entwickelt, die Killer erziehen wollen. Man bekommt eine Spielkonsole, steckt den Stecker in die Steckdose und wird "Terminator 2".
Wenn ein Kind oder ein Jugendlicher immer wieder das Zielen und Schießen übt, ist es bald besser trainiert als ein Mann, der seit zehn Jahren auf dem Schießplatz übt. Denn es kann wesentlich häufiger und mit größerer Präzision und zu extrem geringeren Kosten feuern, als das ein Soldat jemals tun könnte. Das Kind mit seinem "Spieltraining" wird ein perfekter Killer, auch wenn es in seinem Leben noch nie eine richtige Waffe in Händen gehalten hat. Besonders effektiv ist dies, wenn im Multiplayer-Modus (also mit mehreren Personen zusammen) etwa bei sogenannten LAN-Partys gespielt wird. Dabei entwickeln sich Fähigkeiten als Killer, die (auch in psychotischer Hinsicht) ausgeprägter sind als bei den schlimmsten Sondereinheiten. So gesehen wächst in den USA eine ganz neue Generation von "Special Forces" heran: arbeitslose, junge Menschen ohne Zukunftsperspektive im Alter von etwa 18 Jahren, die sich Schießfertigkeiten und eine Reaktionsschnelligkeit angeeignet haben, mit der sie praktisch sofort als eiskalte Killer für die Art amerikanischer Streitkräfte einsetzbar werden, von denen Samuel Huntington gesprochen hat. Diese Gefahr ist real.
Betrachten wir den Geisteszustand eines jungen "Punkers" der "No-Future-Generation", dessen Leben nach den Vorgaben der großartigen "New Economy" verläuft: ohne erfülltes soziales Leben, ohne kognitive Entwicklung, jemand, der seine Zeit mit abstumpfenden geistigen Tätigkeiten verbringt und besessen diese Spiele spielt. So entsteht eine Spieler-Subkultur, die sich im allgemeinen um ganz bestimmte Spiele dreht.
Nicht das Spiel an sich ist gefährlich; es ist die Art und Weise, wie es gespielt wird und was es im Spieler anrichtet. Der Jugendliche wird von dem Spiel praktisch ganz vereinnahmt und entwickelt schizophrene Züge. Er lebt in der realen Welt und gleichzeitig außerhalb der realen Welt, in der magischen und fantastischen Welt der Computerspiele. Hier kann er seinen tötungsorientierten Sadismus und den ganzen Haß ausleben, der sich in ihm aufgestaut hat. So bildet sich eine gesellschaftlich induzierte Form der Massenschizophrenie heraus.
Nehmen wir den Fall R. Steinhäuser in Erfurt, der genau in das Schema des typischen amerikanischen Computerspielers im Teenageralter paßt. Jugendliche aus diesen Kreisen haben mir geschrieben, und was sie schrieben, bestätigt, daß ich recht habe. Denn die Art und Weise, wie sie schrieben, und die Art ihrer Argumentation ist Ausdruck dieser Schizophrenie: Der Spieler befindet sich in einem besonderen Geisteszustand, er denkt nur im Rahmen der Spielregeln. Wichtig dabei ist, daß diese Spiele Kampfspiele sind, entweder spielt man gegen sich selbst, gegen die Maschine oder gegen andere Spieler. Alles andere als diese Spielregeln ist für die Zeit des Spiels irrelevant. Wenn der Spieler in diesem Zustand durch die Realität unterbrochen wird, etwa mit der lapidaren Feststellung, das Essen sei fertig, reagiert er mitunter sehr heftig, weil dieses Realitätselement in der Spielwelt nicht existiert. Das ist typisch für eine Schizophrenie: der Spieler hat sich vom wirklichen Handeln in der Gesellschaft losgelöst und reagiert wie nach infantilen Spielregeln.
Das Spiel mit seinen magischen Zügen läßt einen die Beziehung zur realen Welt verlieren, und dieser Zustand entspricht einer sozial induzierten Psychose - einer schizophrenen Psychose. Das ist keine normale Psychose, wie an dem Beispiel von Erfurt deutlich wurde. Der jugendliche Täter rannte durch die Schule und tötete gezielt alle Lehrer, die ihm in den Weg kamen. Doch dann ruft ihn ein Lehrer beim Namen und sagt zu ihm: "Schau mir in die Augen!" Der Täter hält inne und wird von dem Lehrer in ein Klassenzimmer gestoßen, wo er sich dann selbst erschießt. Was war geschehen? Steinhäuser bestand praktisch aus zwei Persönlichkeiten: eine Person war die, die sich in dem Zimmer erschoß, die andere war diejenige, die das Spiel spielte. Er spielte das Spiel als Massenmörder. Aber in dem Moment, wo ihn der Lehrer direkt ansprach, brach sich die Realität Bahn - das war die entscheidende Veränderung. Plötzlich "sprang" er zurück in seine wirkliche Persönlichkeit - eine jämmerliche, verängstigte, schwache Persönlichkeit. Er erschoß sich selbst, um dem Spiel ein Ende zu machen.
Man kann diese Art Spiele nicht durch sich selbst erklären. Diejenigen, die sie entwickelt haben und vermarkten, wissen recht genau, was sie tun: Es sollen Massenmörder herangezüchtet werden. Wer diese Spiele toleriert und selber benutzt, ist bereit, genau die Rolle zu übernehmen, für die sie programmiert wurden. Aber der Grund, warum Jugendliche zu Opfern dieser Spiele werden, liegt in unser konsumorientierten Gesellschaft, wie sie sich nach 1966 entwickelt hat - eine unwirkliche Gesellschaft. Real ist in ihr nur, was man bekommt, nicht das, was man produziert. Vor 1966 war die Chance, sich zu entwickeln und etwas zu produzieren, real: das Recht zu produzieren, das Recht auf einen Arbeitsplatz, das Recht, produktiv zu sein, und das Recht, respektiert zu werden, weil man etwas Sinnvolles tut. Nach 1966 kam die Wende: Heute gilt nicht mehr, was man ist oder was man produziert oder sonstwie unternimmt, heute ist entscheidend, was man sich leisten kann - wie bei einer Kreditkarte. Die USA beispielsweise kaufen überall in der Welt alles ein, aber wir bezahlen nicht - bis es am Fälligkeitstag sehr schmerzhaft wird.
Das größte Problem dabei ist die Zerstörung unserer Kinder. Unsere Kinder stecken voller Haß, und dann kommt jemand wie ein Zuhälter vorbei und sagt: "Willst du einen Kick? Willst du Spaß? Dann nimm dieses Spiel."
Als begeisterter Computerspieler muß man sich genau das klarmachen, was ich gerade gesagt habe. Was ist der Anlaß, aus der Realität in die magische Welt der elektronischen Spiele zu flüchten. Wenn man dort seinen unterbewußten Haß und seine Frustration abreagieren will, macht das abhängig. Man vereinigt so praktisch zwei Persönlichkeiten in sich. Einerseits ist man potentiell ein Mensch, das ist das wahre Selbst. Aber andererseits verkörpert man jene sozial induzierte Form psychotischer Massenschizophrenie, zu der man über die Computerspiele konditioniert wurde. Das ist nichts anderes als Pawlowsche Gehirnwäsche, und diese Menschen bewegen sich ständig zwischen beiden Zuständen hin und her.
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